Mehr Dorf!

Was braucht es, um ländliche Abwanderung zu reduzieren? Glasfaserinternet, eine echte Raumordnung – und die Dorfgemeinschaft. Für die Weiterentwicklung Letzterer ließ die Gemeinde Leisach, Osttirol, benötigte Räume nachhaltig und umsichtig errichten – in einem neuen Gemeindehaus.

Es klingt ein wenig antiquiert, wie es Heinrich Hübsch, Architekt, Hochschulprofessor und großherzoglich badischer Beamter, im Titel seiner 1828 veröffentlichten Schrift formuliert hat: „In welchem Style sollen wir bauen?“ Dennoch: Heute, da technisch alles möglich und gestalterisch alles erlaubt ist, ist die Frage nach dem „richtigen“ Bauen womöglich noch schwerer zu beantworten. Die Ansätze, die Architekturtheoretiker seit der Antike dazu entwickelt haben, sind höchst unterschiedlich. Sie haben aber auch vieles gemeinsam. Funktionalität, Konstruktion, Material, Proportion, Schönheit sind Fixsterne am Firmament der europäischen Baukunst.

Allerdings sind die Sterne auch in klaren Nächten nicht überall gleich gut sichtbar. An Lichtquellen, neben denen sie verblassen, herrscht bei uns kein Mangel. So ist ein kleines Dorf in Osttirol vielleicht der richtige Ort, um über angemessenes zeitgenössisches Bauen nachzudenken. Die 700-Seelen-Gemeinde Leisach liegt am südwestlichen Ausgang des Lienzer Talbodens unweit der Lienzer Klause, wo Tiroler Freiheitskämpfer 1806 eine aus dem Süden heranrückende napoleonische Übermacht am Weitermarsch durch das Pustertal hindern konnten. Als Revanche für den Widerstand ließ der französische General vor seinem Abzug noch zehn Dörfer, darunter Leisach, niederbrennen. Man steht hier also auf geschichtsträchtigem Boden. Leisach ist aber auch eine moderne, wirtschaftlich und kulturell funktionstüchtige Gemeinde, die mit den gleichen Problemen kämpft wie fast jede Landgemeinde Österreichs außerhalb der stetig wachsenden Speckgürtels: vor allem mit der Abwanderung der Jungen, Gebildeten in die Ballungsräume mit ihren attraktiven Arbeits-, Freizeit- und Konsumangeboten. In Leisach bleibt man optimistisch. Man hofft auf den oft versprochenen Anschluss an das Internet per Glasfaser, man schmiedet Allianzen mit Nachbargemeinden, um eine Raumordnung zu verwirklichen, die den Namen verdient. Und man pflegt die Dorfgemeinschaft, indem man ihr die Räume zur Verfügung stellt, die sie für ihre Weiterentwicklung braucht.

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