In den Vorstädten der Hauptstadt stieg die Infektionsrate zuletzt plötzlich rasant an.
Madrid/Lissabon. Im Frühjahr galt Portugal noch als europäischer Musterknabe, der dank schneller Reaktionen und vorbildlicher Schutzmaßnahmen in der Coronakrise vergleichsweise glimpflich davonkam. Doch jetzt hat sich das Blatt gewendet. Statt Erfolgsmeldungen kommen nun Corona-Hiobsbotschaften aus dem beliebten Urlaubsland. Denn Portugal ist neuerdings nach Schweden das EU-Land mit dem höchsten Anstieg an Corona-Neuinfektionen.
Die Lage ist so bedenklich, dass die Regierung in 19 Vorstädten rund um Lissabon wieder einen Ausnahmezustand verhängte und die Bewegungsfreiheit der Bürger einschränkte – wie am Höhepunkt der Epidemie. Vom 1. Juli an sollen die Bürger in den betroffenen Gemeinden möglichst nur zum Einkaufen, zum Arbeiten und für Arztbesuche auf die Straße. Regierungschef António Costa sagte, die Einhaltung der Ausgangssperre sei „Bürgerpflicht“.
Das touristische Zentrum Lissabons ist von den Ausgangsbeschränkungen noch nicht betroffen, wohl aber der an der Peripherie liegende Stadtteil Santa-Clara. Insgesamt muss rund eine Million Portugiesen, die überwiegend in den nordwestlichen Vorstädten Lissabons wohnt, wieder zu Hause bleiben. In der Innenstadt wird wegen des steigenden Corona-Risikos der Handel eingeschränkt: Mehrere große Märkte wurden verboten.
Fußball-Finalrunde in Gefahr
Die Zahl der Neuinfektionen liegt in Portugal inzwischen so hoch, dass etliche europäische Regierungen – unter anderem Österreich – mittlerweile vor einem Urlaub in dem südeuropäischen Land am Atlantik abraten. Nach der Statistik des EU-Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) registrierte Portugal in den vergangenen sieben Tagen im Schnitt 332 neue Corona-Fälle.
Drei Viertel aller Erkrankungen werden derzeit aus dem Großraum Lissabon gemeldet. Pro 100.000 Einwohner werden in Portugal derzeit wöchentlich 22,6 Fälle erfasst. Nur Schweden schneidet mit 76,7 Infektionen noch schlechter ab. Mit der sich verschärfenden Corona-Krise in Lissabon könnte auch die Champions-League-Finalrunde vom 12. bis 23. August in Lissabon in Gefahr geraten. Sie war von Istanbul in die portugiesische Hauptstadt verlegt worden, weil die UEFA dachte, dass dort die Epidemie unter Kontrolle sei.
Auch an der Algarve-Küste, Portugals wichtigster Urlaubsdestination, wachsen die Sorgen nach einem Corona-Anstieg bei einer Massenparty. Bisher war die Algarve weitgehend verschont geblieben. Die meisten der rund 40.000 Fälle stammen aus den Ballungsräumen Lissabon und Porto.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2020)