Am Herd

Es ist Sommer!

Endlich ist es Sommer!
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Die Ufer der Seen füllen sich, die ersten Flieger heben ab gen Süden, es lockt das Meer. Und wir lagern in den Wiesen, bis die Sterne sich zeigen. Es ist Sommer. Sommer!

Können Sie sich noch erinnern? Damals fuhr die Polizei durch die Parks, vorbei an der blühenden Kirsche, vorbei an jenen, die es nicht mehr zu Hause litt, die Luft schnappen, sich die Beine vertreten wollten. In den Straßen huschten wir aneinander vorbei, die Gesichter abgewandt, noch trugen wir keine Masken. Zuhause richteten wir uns im Homeoffice ein, mit Blick auf die Fenster gegenüber, hinter denen andere ihr Leben lebten, ihr Lockdown-Leben, und wir fühlten uns weniger allein.

Die Restaurants hatten geschlossen, wenn wir Sushi bestellten, legten wir das Trinkgeld auf die Türmatte.

Jetzt ist Sommer. Wirklich Sommer. Mit Sonnencreme und Sonnenbrille, Sandalen und kurzen Hosen. Die Freibäder haben geöffnet, das hatten wir im April nicht zu hoffen gewagt, an den Seen begrüßen sich die Familien, die sich jedes Jahr hier treffen, ach, wie sind die Kinder doch gewachsen in der Zwischenzeit, und der Älteste trägt jetzt eine Zahnspange! Die Flieger heben ab gen Süden, es lockt das Meer, die ersten folgen seinem Ruf, noch zögerlich, mit Übermut im Herzen. Und im FKK-Bereich der Neuen Donau spielen die nackten Alten im Schatten eines bunten Sonnenschirms Karten, als sei nichts geschehen, zwischendurch holen sie sich ein Bier aus der Kühlbox.

Der Donaukanal. Und sie haben ja recht. Schnappen wir uns diesen Sommer. Bei aller Vorsicht, aber: Schnappen wir ihn. Wir wissen nicht, was der Herbst bringt, ob die Polizei wieder Streife fahren wird, um die Menschen voneinander fernzuhalten, ob uns vor dem Einkauf im Supermarkt bange sein wird. Gehen wir hinaus, in die Schanigärten der Restaurants und Cafés, mit Blick auf die vorbeieilenden Menschen mit ihren Einkaufssackerln und Computertaschen, Corona und der Regen haben uns lang genug ans Haus gefesselt. Erobern wir die Parks, verlegen wir unser Sonntagsfrühstück unter Platanen und Kastanien, hartgekochte Eier inklusive und ein Stanniolbrieferl mit Salz. Lagern wir in den Wiesen, bis die Sonne hinter den Häusern versinkt und die Sterne sich zeigen, besteigen wir die Berge, hinauf, hinauf, solang das Wetter hält. Und lasst den Jungen den Donaukanal. Sollen sie im Freien feiern, dass sie dem Lockdown vorerst entkommen sind.

Nein, noch ist nicht alles gut. Wir werden weiter Masken tragen, nicht, weil man es uns befiehlt, sondern weil wir es für sinnvoll halten, wir werden keine Hände schütteln (aber vielleicht den einen oder anderen lang Vermissten dann doch umarmen), die öffentlichen Verkehrsmittel meiden, wenn es geht, und in den Büros auf Abstand achten. Aber es ändert nichts: Es ist Sommer. Sommer! Wir haben ihn uns verdient.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2020)

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