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Warum wir uns an manche Wörter besser erinnern

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Werbetexter aufgepasst: Nicht nur Bilder, auch Begriffe bleiben uns mehr oder weniger gut im Gedächtnis. Aber wovon hängt das ab?

Seit es Psychologen gibt, schlagen sie sich mit dem Gedächtnis herum. Ein besonders rätselhaftes Phänomen: Warum erinnern wir uns an manche Gesichter oder Bilder besser als an andere? Man hat vermutet, es liege an der Farbe, der Vertrautheit mit dem Gegenstand, an der Aufmerksamkeit oder den Präferenzen der Betrachter. Aber keine Antwort hat sich bewährt. Jetzt haben US-Forscher um Weizhen Xie ihren Fokus auf die kaum untersuchten Wörter verlegt – und sind dort einer Lösung deutlich näher gekommen (Nature Human Behaviour, 29.6.).

Sie legten Probanden willkürliche Paare von Begriffen vor. Anschließend sollten diese sich nach Vorlage eines Wortes an die zweite Hälfte des Paares erinnern. Erstes Ergebnis: Es ist wie bei den Bildern, manche Wörter lassen sich viel leichter memorieren als andere.

Aus welchem Grund? Die Analyse schloss naheliegende Möglichkeiten aus: Es geht nicht um die Häufigkeit, mit der sie im Alltag verwendet werden. Und auch nicht nicht darum, ob ein Begriff konkret (wie „Tisch“) oder abstrakt (wie „Ambivalenz“) ist. Worum dann? Die Autoren hatten einen Hintergedanken, als sie ihr Studienobjekt wählten: Sprachliche Inhalte sind besonders assoziativ – mit manchen Begriffen verbindet man gedanklich viele weitere, andere stehen eher isoliert am Rand des „semantischen Raums“. Und genau daran scheint es zu liegen, wie leicht oder schwer wir uns an sie erinnern. Bei einem stärker verknüpften Wort waren die Befragten schneller bei der Antwort, und sie nannten es häufiger, auch wenn sie sich irrten, also das falsche Komplement angaben.

Schlaues Lager im Schläfenlappen

Das Gros der Teilnehmer (rund 2600) spielten das Wortpaare-Spiel im Internet, eine Gruppe von 30 im Labor, wo man mit Elektroden ihre Hirnströme maß. Es zeigte sich: Das „Kramen“ im Gedächtnis spielt sich im vorderen Schläfenlappen ab. Bereits bekannt war, dass erfolgreiches Erinnern die gleichen Muster neuronaler Aktivität aufruft, die für das Abspeichern sorgten. Die neue Erkenntnis: Auf leichter zu erinnernde Wörter greift die Hirntätigkeit schneller zurück. Offenbar durchsucht sie das „Lager“ nicht auf gut Glück, sondern zuerst im Bereich der „gut vernetzten“ Begriffe.

Was bringt uns diese Erkenntnis? Sie kann sehr fruchtbar sein für Menschen, denen es wichtig ist, dass sich andere an ihre Äußerungen gut erinnern – also etwa für Lehrer, Politiker und Werbetexter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2020)

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