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Wie geht's? So gefragt geht es mir schon schlecht

Man trifft sich, bleibt kaum stehen und fragt ...
Man trifft sich, bleibt kaum stehen und fragt ...(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nur kurz hatte die allzu beliebte Grußformel ihren hohlen Klang verloren, jetzt macht sie wieder ratlos. Da loben wir uns andere Sprachen.

Wie weise sind sie doch im fernen Osten! Chinesen begrüßen sich mit der Frage „Haben Sie schon Reis gegessen?". Es wäre verfehlt, darin die Einladung zu einem gemeinsamen Mahl zu sehen. Auch wer versucht ist, wahrheitsgemäß mit „Nein" zu antworten, sollte sich auf die Zunge beißen – es läge darin eine grobe Unhöflichkeit, auf einer Linie mit „Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe". Die einzig akzeptable Antwort lautet „Ja", völlig unabhängig von den Fakten. Ähnlich verhält es sich, wenn Filipinos, Thais oder Koreaner zur Begrüßung „Wohin gehst du?" fragen. Jeder gesittete Mensch reagiert darauf nur mit „Dorthin", allenfalls begleitet von einem vagen Wacheln mit der Hand. Womit ganz klar ist, dass diese Floskeln rein rhetorischen Charakter haben. Glückliche Asiaten!

In Frankreich fragen sie „Ça va?", wenn sie nicht wissen wollen, wie es dir geht. Die Formel erheischt allein das Echo des Angesprochen: Ça va?, als Auftakt zu den Küsschen auf die Wange. Die Fragen, die keine sind, bleiben wunderbar ungeklärt in der Schwebe, worin eine tiefe Weisheit liegt, weil wir ja doch nichts wissen können, am wenigsten über uns selbst. Will sich aber jemand, selten genug, ernsthaft nach deinem Befunden erkundigen, fragt er „Comment vas-tu?". Dann ist man befugt, sich nach erfolgter Introspektion in beliebiger Ausführlichkeit über den aktuellen Zustand von Gesundheit und Gemüt auszulassen. Analog verhält es sich beim spanischen Que tal? (was sollte man auf „wie?" auch schon groß antworten?) versus dem mit Gehalt gefüllten „Como estás?". Glückliche Franzosen und Spanier!

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