Nicht "drüberfahren": Wiens Wünsche an Berlin

Edstadler trifft Kanzleramtsminister Helge Braun
Edstadler trifft Kanzleramtsminister Helge Braun(c) APA/BUNDESKANZLERAMT/HANS HOFER (HANS HOFER)
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Europaministerin Karoline Edtstadler formuliert in Berlin Erwartungen an den deutschen Ratsvorsitz, der am Mittwoch beginnt.

Berlin. „Es könnte historischer nicht sein“, erklärte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) vor Journalisten an der österreichischen Botschaft am Rande des Berliner-Tiergartens. Was Edtstadler mit „historisch“ meint? Ihr wegen Corona monatelang aufgeschobener Antrittsbesuch als Europaministerin fand nun just einen Tag vor Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft statt, die unter der Losung „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“ am Mittwoch startet. Dass die größte EU-Volkswirtschaft und mit Angela Merkel die dienstälteste Regierungschefin des Kontinents nun in der Krise übernehmen, schürt gewaltige Erwartungen. Auch in Wien. Oder wie es Edtstadler formuliert: Es liege „große Last“ auf den Schultern der Deutschen. Die Ministerin trommelt eine Botschaft in vielen Variationen: Deutschland müsse nun „klar zeigen, dass es 27 EU-Staaten sind“, also „vermitteln“, in die Rolle des „honest broker“ schlüpfen, wie das ja Usance für den Ratsvorsitzenden ist. Also: Nur kein „Drüberfahren“ der Großen, allen voran Frankreichs, über kleinere Länder.

Die Krise hat der deutsch-französischen Achse neues Leben eingehaucht. Am Montag hatte Angela Merkel auf Schloss Meseberg Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zum politischen Rendezvous empfangen. Sie trafen sich einige Wochen, nachdem sie ihren Plan für einen EU-Wiederaufbaufonds vorgestellt hatten. 500 Milliarden Euro Zuschüsse soll die EU in der Krise verteilen, die Kommission packte noch einmal 250 Milliarden Euro Kredite drauf. Das ist der Vorschlag. Und Macron drückt aufs Tempo. Noch im Juli soll die Einigung stehen. Die „Sparsamen Vier“ um Österreich lehnen den Plan ab. Wobei sich die Fronten aufweichen. „Wir sind Realisten“, sagt Edtstadler in Berlin und meint damit unausgesprochen: Es wird Zuschüsse geben. Aber: „Wir werden über das Verhältnis sprechen müssen“, sagt sie. Also zwischen Zuschüssen und Krediten. Und Deutschland müsse seine „Stärke“ in der Frage einsetzen, wofür die Gelder verwendet würden. Sie dürften nicht bedingungslos fließen – Stichwort „Konditionalität“. Und zumindest Letzteres sehe Berlin genauso, wie Edtstadler über ihr Gespräch mit Staatssekretär Michael Roth (SPD) im Auswärtigen Amt berichtet. Der Wiederaufbaufonds flößt der Ministerin jedenfalls Respekt ein: „Das sind ja alles Beträge, die kann sich kein Mensch mehr vorstellen.“

Die jüngste kleine bilaterale Spannung wurde in Edtstadlers Gesprächen, auch mit Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), nur gestreift. Weil sie sich schon davor in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Österreich hatte die Deutschen verärgert, weil es wegen der Corona-Infektionen bei Tönnies eine Reisewarnung für das gesamte bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen ausgegeben hatte. Inzwischen wurde die Warnung auf einen Landkreis gestutzt.

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