Graphic Novel

Welt verbessern mittels Hightech

"Unfollow".  Lukas Jüligers Graphic Novel über alternative Lebensformen ist wie das Vorgängerbuch "Vakuum" bei Reprodukt erschienen.
"Unfollow".  Lukas Jüligers Graphic Novel über alternative Lebensformen ist wie das Vorgängerbuch "Vakuum" bei Reprodukt erschienen.reprodukt Verlag/Lukas Jüliger
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Auf in den Wald! Der deutsche Zeichner Lukas Jüliger über seine so beunruhigende wie spannende Graphic Novel "Unfollow".

Seinem Körper entfuhr ein Schrei und er erwachte als siebenjähriger Junge", heißt es in "Unfollow", der neuen Graphic Novel des deutschen Zeichners Lukas Jüliger. "Unfollow" bedeutet im landläufigen Sinn, sich von sozialen Netzwerken, die viel Lebenszeit in Anspruch nehmen, zu verabschieden, von Instagram, Twitter oder Facebook. In Jüligers Buch ist der Begriff weiter gefasst und heißt so viel wie: Verlasse die Welt, wie du sie kennst, und bau dir eine neue. Der Bub in Jüligers Buch erlebt quasi bewusst die Evolution. Er wird in eine Welt voll ökologischer Katastrophen und Müll hineingeboren, erlebt zunächst ein normales Aufwachsen mit Hausaufgaben und Freizeit: "Eine Kindheit in Langeweile und Überfluss", wie es im Buch heißt.

Sein Faible für die Natur, er versteckt einen toten Vogel und andere Relikte in seinem Zimmer, bringt den Jungen mit 12 Jahren in ein Heim für verhaltensauffällige Kinder. Dort gründet er seine erste Community und legt mit seinen Kameraden einen Gemüsegarten an. Der Bursch gibt sich den Namen Earthboi (auch ein Popsong), stiehlt Sonnenkollektoren, zieht in den Wald und startet ein Experiment zur Heilung der Welt mittels Ressourcenschonung. Das klingt ein wenig platt, tatsächlich ist das Buch höchst raffiniert: Es fusioniert modernste Technik mit Romantik. Earthboi entwickelt eine App, mittels der er Manager zum Meditieren bringt und schließlich dazu, ihr Leben zu verändern. Eines Tages findet Earthboi ein gleich gesinntes Mädchen, die beiden verlieben sich ineinander, sie haben die gleichen Ideale, die junge Frau folgt Earthboi in seine Kommune.

Zivilisationsflucht. Earthboi propagiert Algen und Pilze als Nahrung, seine Freundin, wie die große Aufräumerin Marie Kondo aus Asien, gibt alles weg und wohnt in einer Rauminstallation.
Zivilisationsflucht. Earthboi propagiert Algen und Pilze als Nahrung, seine Freundin, wie die große Aufräumerin Marie Kondo aus Asien, gibt alles weg und wohnt in einer Rauminstallation.reprodukt Verlag/Lukas Jüliger

Nah an der Natur. "Unfollow" scheint von vielerlei inspiriert, man mag Bezüge erkennen zu Shakespeares "Wie es Euch gefällt", eine dunkle Komödie, in der ein Herzog abgesetzt wird und sich in den Wald von Arden flüchtet; man kann an den heiligen Franz von Assisi denken, der die Sprache der Tiere verstand; oder gleich an Jesus Christus, den Erlöser. Und seine Nachfahren in der Popmusik, von Bob Dylan bis zum Rap. Wobei Earthboi näher beim Rap ist. Was nachvollziehbar ist, denn Earthbois ursprüngliche Anhänger sind Jugendliche, er selbst ist so eine Art Influencer, sein Projekt zieht die Werbeindustrie an. Wir ahnen: Auch der größte Idealist kann sich kommerziellen Interessen nicht ganz verschließen.

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