Neuer Song

Kanye West: Das Blut soll ihn rein waschen

(c) Def Jam Records
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In seinem neuen Song „Wash Us In The Blood“ lässt der oft größenwahnsinnige Rapper Kanye West die Sirenen heulen. Und er ruft den Heiligen Geist an.

Von „Strange fruits“, die in den US-Südstaaten von den Pappeln hängen, sang Billie Holiday einst: Auf den Blättern und den Wurzeln klebe das Blut, „black bodies swinging in the southern breeze“. Die Stelle mit den blutigen Blättern hat Rapper Kanye West (in einer Version von Nina Simone) vor zwei Jahren in „Blood on the Leaves“ gesampelt, es ging um Ruhm und Selbstzerstörung. Nun rappt er wieder über Blut: Gemeinsam mit seinem Musikerkollegen Travis Scott hat er den Song „Wash Us In The Blood“ veröffentlicht, ein Vorbote des kommenden Albums „God's Country“. Darin geht es – auch – um die Massenproteste gegen Polizeigewalt gegenüber Schwarzen in den USA. Sirenen heben an: erst echte Polizeisirenen, in der Wiederholung verdichten sie sich zum Leitmotiv. Sie versetzen den Hörer in permanente Alarmbereitschaft. Der Beat erinnert an Herzklopfen. Wests Rap dazu ist wütend, aber er ist nicht voll Rage.

Das Video verstärkt die Unruhe im Zuhörer und Zuseher. Regisseur Arthur Jafa hat wackelige Handyaufnahmen zusammengeschnitten. West selbst tritt digital verfremdet auf, dazu ein Mann, Zerrbild eines stereotypen Afroamerikaners: mit wilden krausen Haaren, üppigem Goldschmuck und goldenen „Grills“ über den Zähnen. Kurz werden Videos der Polizeigewalt-Opfer Ahmaud Arbery und Breonna Taylor gezeigt, Letztere sieht man ausgelassen tanzen. Und Afroamerikaner in Atemnot, die in Krankenhäusern behandelt werden. „I can't breathe“ waren die letzten Worte von George Floyd, dessen gewaltsamer Tod die aktuellen Proteste ausgelöst hat. Im Song kommen seine Worte nicht vor. „Wash Us In The Blood“ ist keine Anklage gegen brutale und korrupte Cops. Kein „Fuck tha Police“, wie von N.W.A vor 20 Jahren oder von Rapper YG vor wenigen Wochen. West, der „College Dropout“, fasst das Problem weiter: Alles sei schmutzig und verdorben. „I grew up in the mud, the top is not enough“. Sein Video zeigt Gewalt und Exzess innerhalb der afroamerikanischen Community. Starke Autos, die im Kreis fahren und Spuren auf dem Asphalt hinterlassen. Junge Männer, die Drogen verkaufen: „Whole life bein' thugs, No choice, sellin' drugs“, rappt West. Oft bleibe keine Wahl, als Drogen zu verkaufen. Und wieder sei ein „life lost“. Er spart nicht mit großen Worten, das tut er nie: „Genocide is what it does. Slavery what it does“ findet er.

Sklaverei und Größenwahn

Diese Zeilen wiederholt er, als er über die Masseneinkerkerung Schwarzer rappt. Eine solche Verbindung zwischen dem US-Gefängnissystem und der Sklaverei stellte auch Regisseurin Ava DuVernay im Dokumentarfilm „The 13th“ her (auf Netflix und Youtube). Die US-Gefängnisse sind ein Milliardengeschäft, die große Mehrheit der Gefangenen hat dunkle Hautfarbe. Wie auch die Zahl der zu Tode Verurteilten. „Thirty states still execute, thou shalt not kill“, kritisiert Corapper Travis Scott im Song doppeldeutig.

Biblisch wird es auch – wie so oft bei dem tiefreligiösen Rapper – im Refrain. Die Zeilen erinnern an die Plagen aus der Offenbarung des Johannes: Wasser wird darin zu Blut und tötet das Leben. Nicht so bei West, der sich gerne Yeezus nennen lässt: Er fordert Blutregen, aber nicht im martialischen Sinn. „Wash us in the blood“, heißt es im Refrain. Das Wasser ist zu schwach, man brauche (Jesu) Blut, um sich reinzuwaschen.

Zuletzt geht es aber doch noch um West selbst, wie könnte es anders sein? Der Rapper spricht in der dritten Person von sich: „They don't want Kanye to be Kanye“, sagt er. „They tryna sign a calm Ye“, sie wollen einen gezähmten Kanye. Wests unbestreitbares Genie hat schon einige Ausritte in den Wahn unternommen. Er verstörte mit Aussagen zur Sklaverei („400 Jahre lang? Das klingt für mich nach eigener Wahl“). Stolz trug er Donald Trumps Wahlslogan „Make America Great Again“ auf dem Kapperl und galt bisher als Unterstützer des US-Präsidenten. Mit Trump teilt er das Feindbild Medien. „You know that it's fake if it's in the news“, heißt es im aktuellen Song.

Manche nennen West den personifizierten Größenwahn. Wer außer ihm würde so fordernd den Heiligen Geist anrufen? „Holy Spirit Come down, we need you now“, heißt es am Schluss des Liedes, das nicht zum Protestsong taugt. Die Sirenen verklingen und man sieht Wests kleine Tochter North bei einer Kirchenchorprobe tanzen. Auf eine beunruhigende Art wirkt das versöhnlich. Oder resigniert?

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