Ethik und Politik

Wir werden die lästige Moral nicht los

Ob Steuern, Klimawandel oder Coronamaßnahmen: Wir drücken uns davor, über Moral zu streiten, flüchten lieber zu den „harten Fakten“ – und scheitern regelmäßig. Wie wäre es, die Werte offen auf den Tisch zu legen?

Ach, die Moral! Sie ist uns lästig geworden. Wir fühlen uns unangenehm berührt, wenn uns jemand mit Werten kommt, die wir hochhalten müssten, oder mit moralischen Normen, die angeblich universell gelten. Wir verdrehen die Augen und seufzen: Das führt doch zu nichts! Moral halten wir für relativ, ja subjektiv. In einer Welt voller Vielfalt und Filterblasen kämen wir nicht weit, wenn wir an das Gewissen aller appellieren. Für manche ist es eben böse, Flüchtlinge abzuweisen, andere fürchten, dass in einer kulturell zersplitterten Nation der Zusammenhalt flöten geht. Die einen halten es für schlimm, in einer Virenwelle Menschenleben zu riskieren, die anderen, dafür sämtliche Freiheitsrechte zu opfern. Das alles liefert reichlich Stoff für Talkshows und Gastkommentare, jeder kann dazu wahlweise heftig nicken oder sich inbrünstig aufregen. Aber einig würde man sich nie.

Also sperren wir die Moral ins Reservat von Symbolthemen, die das Weltgeschehen nicht ändern – wie die Frage, welcher bronzene Rassist vom Sockel stürzen soll. Aber wo es wirklich um etwas geht, klammern wir uns an Wissen, Zahlen, Statistiken. Die implizite Hoffnung dahinter: Am Ende kämen wir darauf, dass es nur eine richtige Einstellung gibt. Weil nämlich alle profitieren, wenn alle nach ihr handeln – aus Eigennutz, angeblich dem Einzigen, was uns verbindet. Aber stimmt das? 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.