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Rassismus gegen Muslime: Deutlich mehr Fälle gemeldet

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Archivbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit 1051 Meldungen an eine Wiener Dokustelle hat sich die Zahl im Vorjahr fast verdoppelt. Erstmals waren vor allem Männer betroffen.

Wien. Einer jungen Muslimin wird in der Straßenbahnlinie 10 von einem Fremden ins Gesicht geschlagen. In Graz wird ein muslimischer Mann an seiner Arbeitsstelle mit dem Griff eines Messers schwer verletzt. Und eine Frau aus Linz, die Kopftuch trägt, berichtet über einen Radfahrer, der sie regelmäßig im Vorbeifahren wüst beschimpft.

Es sind solche Fälle, die, neben zahlreichen Postings im Internet, von der Dokustelle für Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus zum fünften Mal in einem Report gesammelt wurden. Am Donnerstag präsentierte die Wiener Beratungsstelle diesen für das Jahr 2019. Demnach nehmen die rassistischen Attacken gegen Muslime, die dort gemeldet werden, stark zu.

Kopftuchverbot und FPÖ-Kampagne

Die Dokumentationsstelle registrierte im Vorjahr 1051 Fälle, während es 2018 noch 540 Meldungen waren. Vor allem spielten dabei Verhetzung und die Verbreitung von Hass eine Rolle, 760 Mal wurde dies dokumentiert. Die Stelle führt das auf ein intensives Monitoring von Medien und Social Media zurück. In 118 weiteren Fällen kam es zu Beleidigungen, in 79 Fällen zu Sachbeschädigung und in 43 Fällen zu Ungleichbehandlung.

Auch der zeitliche Verlauf der Fälle wurde analysiert: Besonders hoch sei die Zahl der Meldungen im April gewesen. Die Dokumentationsstelle sieht hier einen Zusammenhang mit einer Kampagne der FPÖ, bei der Begriffe wie „Bevölkerungsaustausch“ und „schrittweise Islamisierung“ verwendet wurden. Außerdem sei es naheliegend, dass der Beschluss über das Kopftuchverbot an Volksschulen zu einem weiteren Höhepunkt der Fälle im Mai geführt habe, vermutet die Dokustelle.

Überraschend sei die Aufschlüsselung nach Geschlecht gewesen, hieß es bei der Pressekonferenz. Erstmals waren bei den gemeldeten Fällen Männer öfter von rassistischen Aktionen betroffen als Frauen. Bei jenen Fällen, bei denen das Geschlecht bekannt ist, waren 105 Mal Männer und 87 Mal Frauen betroffen.

Hier sei ein deutlicher Unterschied ersichtlich: Die rassistischen Aktionen gegen muslimische Männer passierten überwiegend im Internet. Frauen hingegen wurden vor allem offline beleidigt.

Forderungen an Regierung

Die Dokumentationsstelle formulierte am Donnerstag außerdem einige Forderungen an die Regierung: unter anderem eine Aufhebung des Kopftuchverbots, da es muslimischen Mädchen den Zugang zu Bildung erschweren könne.

Ebenso brauche es einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus. Gefordert wird auch die stärkere Einbindung von antirassistischen Organisationen bei der Entwicklung von Maßnahmen. (wal)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2020)

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