Musikwissenschaft

Ein „Musikament“ gegen die Parkinson-Krankheit

Salzburger und Wiener Wissenschaftler erforschen die positiven Auswirkungen von Musik auf Parkinson-Patienten. Besondere Hoffnung wird auf das Singen im Chor gesetzt. Für eine neue Studie werden nun Probanden zum Zuhören und wöchentlichen Singen gesucht.

Für Menschen, die an der Parkinson-Krankheit leiden, steht auch heute noch kein heilendes Medikament zur Verfügung. Der langsame, aber stetig fortschreitende Abbau von Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren, beeinträchtigt unweigerlich ihre Bewegungsfähigkeit. Möglich ist es jedoch, die typischen Symptome, die die Krankheit begleiten und nicht selten zu Depressionen führen, abzumildern und so ein hohes Maß an Lebensqualität aufrechtzuerhalten.

Weniger Medikamente

Dass Musikhören, aber auch Singen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, ist die Ausgangsthese zweier Salzburger Wissenschaftler. Der Schmerzforscher Günther Bernatzky vom Fachbereich Biowissenschaften der Paris-Lodron-Universität, bekannt durch zahlreiche Arbeiten zur Wirkung von Musik bei verschiedenen Krankheiten, und die Musikwissenschaftlerin Katarzyna Grebosz-Haring von der Universität Mozarteum arbeiten in dem Parkinson-Projekt mit Urs Nater vom Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien zusammen. Die Hoffnung der Forscher ist, durch einen „musikalischen Therapieansatz“ sogar die Medikation von Parkinson-Patienten reduzieren zu können – sowohl Schmerzmittel als auch Antidepressiva betreffend.

Bernatzky erstellte, basierend auf bisherigen Erkenntnissen, zusammen mit Kollegen eine CD. Diese ist unter dem Titel „Musikament: Musik für Parkinsonpatienten“ in Apotheken sowie im Fachhandel erhältlich und wird Patienten zur therapeutischen Verwendung empfohlen.

Mehr vom „Glückshormon“

„Durch die aktivierende Musik wird der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet, dessen Fehlen bei Parkinson-Patienten die Abnahme der motorischen Fähigkeiten verursacht“, erklärt Bernatzky. Neben dem „Radetzky-Marsch“ (Johann Strauss) und Carl Orffs „Carmina Burana“ sind darauf auch Tangoklänge, Trommelmusik und irische Folkmusik zu hören. Ein regelmäßiges – tägliches – Hören der insgesamt zehn Stücke führe zu einer sich von selbst im Körper einstellenden Erwartungshaltung, so der Schmerzforscher.

„Im Laufe der Therapie treten die gewünschten Effekte bereits nach kürzerer Zeit ein“, sagt Bernatzky. Wichtig sei dabei die Verwendung guter, das gesamte Ohr umschließender Kopfhörer, um die Lautstärke auf die eigenen Bedürfnisse abzustimmen. Jeglicher Stress, der andernfalls entstehen könnte, sei bei Parkinson-Patienten kontraindiziert.

In einer gemeinsamen Parkinson-Studie planen die Wissenschaftler einen Vergleich der Wirkung von (rezeptivem) Musikhören und (aktivem) Singen auf die Patienten. „Singen kann die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern, indem es Neurotransmitter und Hormone wie Cortisol und Alpha-Amylase reduziert, jedoch Dopamin, Serotonin und Oxytocin ansteigen lässt“, betont die Musikwissenschaftlerin Grebosz-Haring.

Heilsamer Chorgesang

Erfolgversprechend erscheine vor allem ein regelmäßiges Singen in einer Gruppe. „Erste Ergebnisse bei verschiedenen Populationen zeigen deutliche Verbesserungen des mentalen und sozialen Wohlbefindens und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität auch im nachhaltigen Verlauf. Die durch das Singen synchronisierten Bewegungen wurden auch mit einer erhöhten Schmerztoleranz assoziiert und können bei der Aufrechterhaltung der motorischen Leistungen der Patienten von Vorteil sein.“

Für die geplante dreimonatige Studie mit 90 Betroffenen werden noch Parkinson-Patientinnen und -Patienten gesucht. Die Probanden werden in drei Gruppen zu je 30 Personen unterteilt. Eine Gruppe hört Musik, die zweite singt wöchentlich im Chor, eine dritte Kontrollgruppe nimmt an keinen Aktivitäten teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2020)

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