Bundesheer neu – wozu?

Die Aufgaben des Bundesheeres müssen überdacht werden.

Wozu brauchen wir überhaupt ein Bundesheer? Die Bundesverfassung kennt drei Aufgaben und eine halbe: den militärischen Schutz der Unabhängigkeit durch die Umfassende Landesverteidigung (ULV), die Hilfe im Inneren zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung sowie zum Schutz der demokratischen Einrichtungen und Grundrechte und zur Bewältigung von Naturkatastrophen, die Teilnahme an friedenserhaltenden und friedensstiftenden Maßnahmen, auch Kampfhandlungen vor allem der UNO und der EU. Dazu kommt noch eine „halbe“ – der Zivildienst als Wehrersatz.

Die meisten Offiziere sehen im Militärischen ihren eigentlichen Beruf – Katastrophenhilfe und gar der Zivildienst sind lästige Zuspeisen. Die Bevölkerung hat da eine ganz andere Prioritätenordnung. Für die militärischen Aufgaben besteht kaum mehr Verständnis. Den Menschen im Lande sind Katastrophenschutz und Zivildienst am wichtigsten.

Was bleibt von den militärischen Aufgaben? Die Luftraumüberwachung – sie wird früher oder später von der EU besorgt werden. Der Grenzschutz ist heute Polizeiaufgabe – wir sind von Mitgliedern der Schengen-Sicherheitsgemeinschaft umgeben. Auch die Terrorbekämpfung ist vorwiegend Polizeiaufgabe, hier muss das Heer allerdings zur Hilfe befähigt sein.

Die Katastrophenhilfe ist unersetzlich, könnte allerdings auch von einer eigenen Truppe geleistet werden, wie dies in manchen Ländern der Fall ist. In jedem Fall besteht die Notwendigkeit der Vernetzung mit den großen Rettungs- und Hilfsorganisationen (wie Feuerwehr und Rotes Kreuz). Die Mitarbeit in der Katastrophenhilfe ist sehr nahe beim Zivildienst.

Die Mitwirkung an „Polizeimaßnahmen“ von UNO, EU, OSZE und Nato ist ein Solidaritätsbeitrag Österreichs. Er bringt dem Land Ansehen, Erfahrung, Arbeitsplätze und wird von der Öffentlichkeit gering geschätzt. 70Prozent der Auslandssoldaten kommen aus der Miliz, also den Wehrpflichtigen.

Der Zivildienst wird immer noch als Wehrersatz fingiert, ist aber schon lange eine Wahlmöglichkeit. Neu organisiert, eng vernetzt mit Bundesheer und großen Einrichtungen der Bürgergesellschaft, ist er für unsere Demokratie unersetzlich.

Ist das Bundesheer immer noch eine Schule der Nation, Ort der politischen Bildung, der Traditionspflege zur Identitätsstiftung und vor allem auch zur Integration? Mehr als die Hälfte der jedes Jahr den Dienst mit der Waffe Ableistenden haben einen Migrationshintergrund. Was für eine Chance!

Ergebnis: Die militärischen Aufgaben im Grenzschutz verlieren an Bedeutung. Terrorbekämpfung, Katastrophenschutz, Zivildienst, Integration: Hier liegen die zukünftigen Hauptaufgaben eines neuen Bundesheers.

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2010)

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