Das ehemalige Musterland verzeichnet neue Rekordwerte und verschärft die Gegenmaßnahmen. Viele Israelis nehmen die Bedrohung offenbar nicht mehr ernst genug. Sie fürchten eher die ökonomischen Folgen als die Seuche.
Tel Aviv. Vor Kurzem noch galt Israel als Vorbild im Kampf gegen Corona: In einem Ranking der Analyseagentur Deep Knowledge Group, die Länder nach ihren Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor dem Virus bewertete, rangierte Israel im April auf dem ersten Platz. Mithilfe früher Reisebeschränkungen, strenger Ausgangssperren und Technologie zur Verfolgung von Infektionsketten konnte der kleine Staat die Ausbreitung des Virus vergleichsweise erfolgreich eindämmen: Mit 3,43 coronabedingten Todesfällen auf 100.000 Einwohner liegt Israel weit hinter vielen westlichen Ländern wie etwa Spanien (61), den USA (37) oder Deutschland (11).
Doch nun scheint das einstige Corona-Musterland die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zu verlieren: Seit Wochen steigt die Zahl der bekannten Neuinfizierten pro Tag wieder an. Lag sie Mitte Mai noch im unteren zweistelligen Bereich, verzeichnete Israels Gesundheitsministerium am Donnerstag mehr als 1100 neue Fälle – ein Rekordwert. „Wir müssen zu einer Politik der Einschränkungen zurückkehren, um die Kurve wieder abzuflachen“, verkündete Israels Premier Benjamin Netanjahu.