Erste Anklage nach dem neuen Gesetz, über dessen strikte Einhaltung ein bekannter kommunistischer Hardliner vom Festland wachen soll.
Hongkong. Chinas kommunistische Machthaber beeilen sich in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden in Hongkong, das am Mittwoch in Kraft getretene „Nationale Sicherheitsgesetz“ für die Sonderverwaltungszone konsequent umzusetzen und die Zügel noch straffer anzuziehen. Am Freitag wurde auf Grundlage des umstrittenen neuen Gesetzes erstmals gegen einen verhafteten Aktivisten der Vorwurf des Terrorismus erhoben. Der bei den Demonstranten populäre Protestslogan „Befreit Hongkong, Revolution unserer Zeit“ wurde verboten. Zugleich wurde ein prominenter kommunistischer Hardliner zum Chef der neuen „Nationalen Sicherheitsbehörde“ in Hongkong ernannt.
Der 23-jährige Tong Ying-kit soll während der Proteste gegen das neue Sicherheitsgesetz am Mittwoch mit einem Motorrad in eine Gruppe Polizisten gefahren sein, wobei drei Beamte verletzt worden seien. Ihm wird deshalb nach den Bestimmungen des Sicherheitsgesetzes „Terrorismus“ und „Anstachelung zur Abspaltung“ vorgeworfen. Bei den Protesten am Mittwoch sind 370 Demonstranten verhaftet worden, viele von ihnen wegen Verstößen gegen das neue Gesetz.
Hardliner als Oberaufpasser
Pekings neuer Oberaufpasser für Hongkong ist Zheng Yanxiong. Der 56-Jährige war zuletzt Generalsekretär des kommunistischen Parteikomitees der Provinz Guangdong. Für Aufsehen sorgte er, als er 2011 eine Protestwelle gegen Korruption in dem Dorf Wukan brutal niederknüppeln ließ. Die politische Umsetzung des Gesetzes überwacht die neu gebildete „Nationale Sicherheitskommission“ unter Leitung von Hongkongs Peking-treuer Regierungschefin Carrie Lam. Als Sicherheitsberater sitzt ihr Luo Huining zur Seite, Leiter des Pekinger Verbindungsbüros in der Sonderverwaltungszone.
All diese Personalentscheidungen zeigen, dass von Hongkongs bisheriger Autonomie nicht mehr viel übrig bleibt. Inzwischen setzten sich deshalb die ersten Demokratieaktivisten aus Hongkong ab. So ist Nathan Law, ein früherer Abgeordneter im Hongkonger Parlament, geflohen. Er wolle den Kampf um Demokratie auf internationaler Ebene fortführen.
Die Vereinten Nationen zeigten sich am Freitag über das neue Sicherheitsgesetz alarmiert. Die Definition einiger Straftatbestände in dem Gesetz sei vage und zu weit gefasst; es werde darin auch nicht angemessen zwischen gewalttätigen und gewaltfreien Handlungen unterschieden, kritisierte UN-Menschenrechtssprecher Rupert Colville in Genf. Die EU-Außenminister wollen sich bei ihrem Treffen am 13. Juli eingehend mit der Lage in Hongkong befassen.
Das US-Repräsentantenhaus hat ein neues Sanktionsgesetz gebilligt, das sich gegen chinesische Offizielle und auch Banken richtet, die bei der Unterminierung der Autonomie Hongkongs mitmachen. Das Gesetz tritt in Kraft, sobald Präsident Donald Trump es unterschrieben hat. (Reuters, AFP)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2020)