Im U-Ausschuss geht es viel um Selbstinszenierung der Fraktionsführer. Von Rollenspielen und Theaterdonner.
Ein „Oasch“ führte zuletzt dazu, dass dem Politzirkus Ibiza-U-Ausschuss die Dompteurin abhanden kam: Verfahrensrichterin Ilse Huber schmiss hin. Der Ton sei unter ihrer Würde, sagte sie nach einem kleinen Wutausbruch der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper. Sie hatte sich bei der Befragung von Finanzminister Gernot Blümel über dessen Erinnerungslücken geärgert.
Tatsächlich ist die parlamentarische Aufklärung oft weniger staatstragend, als man meinen möchte. Es geht neben Fakten mindestens so viel um deren Spin – und vor allem um die Selbstinszenierung der Abgeordneten. Denn nur selten bekommt die Opposition eine derart viel beachtete Bühne geboten. Eine Bilanz.
Kai Jan Krainer, SPÖ
Der SPÖ-Fraktionsführer ist inhaltlich – im Gegensatz zu manchen seiner SPÖ-Kollegen – sattelfest. Krainer merkt man die spitzbübische Freude an, sich mit seinen politischen Gegnern zu messen. Aber trotz harter Befragungen und intensivem Aktenstudium hat die SPÖ die „smoking gun“ noch nicht gefunden. Was über Casinos, Postenbesetzungen, Shreddern und Ibiza-Video diskutiert wird, hatten Journalisten in groben Zügen schon behandelt. Teilweise sind die Befragungen jedoch zäh, weil viele Ermittlungen noch laufen. Zeugen, die auch Beschuldigte sind, können sich deshalb entschlagen. Dafür sind einige spannende Nebenschauplätze aufgepoppt: Da wäre das Projekt Edelstein – es geht um Pläne der Regierung, das Bundesrechenzentrum zu verkaufen. Oder der Privatkrankenanstaltenfonds – ein Freund Straches hat sich ein Gesetz gewünscht und bekommt nun Geld aus dem Fonds. Thema wurde auch das Alois-Mock-Institut, dessen Präsident Wolfgang Sobotka ist. Es erhielt von Novomatic eine überschaubare Summe Geld.
Stephanie Krisper, Neos
Die Abgeordnete hat sich mit dem BVT-U-Ausschuss einen Namen als Aufdeckerin gemacht. Nach dem Ausscheiden von Peter Pilz aus dem Parlament tut sie alles, ihn in dieser Rolle zu beerben. Wie Krainer wühlt auch sie sich (mit ihrem auffallend guten Team) durch Zigtausende Seiten an Akten und zerrt immer wieder das ein oder andere spannende Detail hervor. Ihre Befragungen sind hart und streng – sie muss sich auch Kritik gefallen lassen, im Ton zu scharf zu sein. Die Zusammenarbeit mit der SPÖ ist offenbar sehr eng – aber die große inhaltliche Linie bisher unklar. Nur eines kristallisiert sich glasklar heraus: Der Hauptgegner heißt nicht mehr FPÖ (bei der es nichts mehr zu holen gibt), sondern ÖVP. SPÖ wie Neos haben ihre Rechnungen offen.
Nina Tomaselli, Grüne
Die Neo-Abgeordnete ist eine der großen Überraschungen im U-Ausschuss: Seit ihrer Rede zur Kandidatur am grünen Bundeskongress 2019 hat die Vorarlbergerin riesige Fortschritte gemacht. Sie hat rhetorisch und argumentativ schnell gelernt, das politische Spielfeld hat sie verstanden. Inhaltlich schafft sie es, die großen Linien im Fokus zu behalten und sich nicht in Details zu verzetteln. Tomaselli kauft man ab, dass sie sich um die politische Verantwortung kümmern und ihre Rolle nicht als Hobbyermittlerin anlegen möchte.
In den Befragungen fällt sie durch ihre respektvolle Art auf – völlig egal, wer vor ihr sitzt. Das hilft, einen schwierigen Spagat zu schaffen: Einerseits gelten die Grünen als Aufklärerpartei, die sich schonungslos für Transparenz einsetzen will. Andererseits sitzen sie mit der ÖVP in einer Regierung, gegen die SPÖ und Neos in aller Härte vorgehen. Zu sehr darf sie auf diesen Zug nicht aufspringen, wenn sie nicht allzu große atmosphärische Verstimmungen in der Regierung riskieren will.
Christian Hafenecker, FPÖ
Auch er ist eine Überraschung. Der vormals polternde Generalsekretär der FPÖ laviert sich meist elegant und höflich durch die Befragungen. Auch inhaltlich überrascht er immer wieder mit Expertise – das hat er wohl seinem Team zu verdanken. Im Hintergrund werken einige fleißige Mitarbeiter, die ihn gut vorbereiten. Seine Rolle ist schwierig: Einerseits muss er Probleme von der FPÖ weghalten. Er schiebt sie in Richtung Ex-Parteiobmann Heinz-Christian Strache – und zur ÖVP. Andererseits gibt diese immer wieder Warnschüsse ab. Wer gemeinsam in einer Koalition war, weiß über den anderen wohl mehr, als ihm lieb ist. Wie viel man preisgibt, ist ein schmaler Grat.
Wolfgang Gerstl, ÖVP
Die U-Ausschuss-Politbühne ist nicht unbedingt seine Welt. Man merkt dem langjährigen Abgeordneten an, dass ihm das Spiel und auch der harsche Umgang eigentlich zuwider sind. Er nimmt vieles wohl auch zu wenig sportlich. Anders war das zuletzt bei dem Abgeordneten Werner Amon im BVT-U-Ausschuss, der seine Gegner mit einer diebischen Freude geschickt herausforderte. Gerstls Hauptaufgabe ist, die Zeugen seiner Partei zu schützen. Das tut er meist, indem er sie lang und ausschweifend zu ihrem Lebenslauf und ihren Aufgaben referieren lässt – so vergeht die Redezeit auch, ohne dass sich die ÖVP-Zeugen kritische Fragen gefallen lassen müssen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2020)