Leitartikel

Schnitzelbrot und Spielchen

WIEN-WAHL: SPÖ WAHLPROGRAMM UND KANDITATENLISTE: SCHULZ / NOVAK / LUDWIG / BOZATEMUR / WENINGER
WIEN-WAHL: SPÖ WAHLPROGRAMM UND KANDITATENLISTE: SCHULZ / NOVAK / LUDWIG / BOZATEMUR / WENINGERAPA/HANS PUNZ
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Der Wiener Corona-Wahlkampf plätschert derzeit mit bunten Koalitionen, Grauen Wölfen und teuren Geschenken vor sich hin. Er wird sicher noch gemeiner werden.

Sie nannten es die Mutter aller Wahlschlachten: Alle fünf Jahre ließ sich das alte Schlachtross Michael Häupl zum Duell gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache satteln. Letzterer hatte zwar nie eine echte Chance, aber spielte natürlich dennoch mit. Es war laut, aufgeregt, schlicht und unterhaltsam. Das war einmal.

Häupl sitzt zwar noch beim Heurigen, aber nicht mehr im Rathaus. Strache kandidiert zwar, aber nur unter „ferner liefen“. Duell gibt es keines mehr, Michael Ludwig geht es generell gern gemütlicher an, aber sogar er brauchte einen einigermaßen chancenreichen Gegner zwecks Mobilisierung der eigenen Anhänger. Mitten in der Coronakrise wurde eine Idee geboren, die außerhalb Wiens alle verwundert, in Wien jeder versteht. Was wäre aus Sicht der Wiener SPÖ, deren jahrelange Brot-und-Spiele-Strategie jeden Lateinlehrer begeisterte, besser als ein Schnitzel-Gutschein!

Aufgrund des Distanzgebots konnte das Panierte leider nicht direkt auf dem Rathausplatz verschenkt werden. Aber es hilft den Wirten, und dabei ist Zynismus immer fehl am Platz, wie jeder in Wien weiß. Strategisch laufen gerade mehrere Übungen ab, die allesamt durchsichtig, aber möglicherweise dennoch erfolgreich sind. Die Wiener SPÖ bemüht mangels echten Herausforderers eine mögliche Diskokoalition aus Türkisen, Neos und Grünen als Gespenst. Das klingt zwar nicht nur unrealistisch, sondern absurd, da es aber alle Parteien nicht ausdrücklich ausschließen, wird es die SPÖ weiterverwenden. Zweites Feindbild ist das Team Kurz, das mit dem Großstadt-Habitus fremdelt und die Landpartie dem Café am Brunnenmarkt vorzieht.

Tatsächlich halfen die Vorwürfe von Innenminister Karl Nehammer, Gesundheitsstadtrat und Che Guevara vom Alsergrund Peter Hacker lasse die Zügel im Kampf gegen Covid-19 schleifen, den Rathaus-Roten: Seither erzählen sie begeistert die Geschichte vom Angriff auf Wien, und dass Nehammer statt Gernot Blümel Spitzenkandidat der Wiener ÖVP werde. Das entspricht zwar nicht der Wahrheit, aber das ist im Wahlkampf nicht so wichtig. Die Türkisen revanchieren sich mit dem Holzhammer und thematisieren die jüngsten Ausschreitungen zwischen von den faschistischen Grauen Wölfen mobilisierten Türken und kurdischen Gruppen, unter denen einige am äußersten linken Rand mitspielen. Mit denen sympathisieren nicht wenige in der Wiener SPÖ. Daher stempelt die ÖVP den Konflikt flugs zum Wiener um und will einfach gegen alle hart durchgreifen. Nun soll es einen runden Tisch aller Vereine mit dem Innenminister geben.

Wegen des Coronavirus wird dieser Wahlkampf ohnehin der sonderbarste in der Wiener Stadtgeschichte: Selbst wenn die Fälle nicht massiv steigen, wird er kaum auf der Straße, sondern in unzähligen TV-Diskussionen stattfinden. Steigen sie aber massiv, wird er generell unmöglich sein und eine Debatte um die Legitimation losbrechen. Gut möglich, dass er sich jedenfalls anfühlt wie die Quarantänesituation im Frühjahr: zwar digitaler, dabei behäbig, konzentriert, aber anstrengend, ein bisschen angsteinflößend und in Summe sehr ermüdend.

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