Wirecard hat schon seit Jahren Probleme

FILE PHOTO: The logo of Wirecard AG is pictured at its headquarters in Aschheim
FILE PHOTO: The logo of Wirecard AG is pictured at its headquarters in AschheimREUTERS
  • Drucken

Während Wirtschaftsprüfer und Aufsicht nichts von den Bilanzunregelmäßigkeiten bei dem Zahlungsdienstleister bemerkt haben wollen, hatte die Bayerische Landesbank laut „Handelsblatt“ einen Verdacht. In München wurde zudem ein weiterer Manager gefasst.

Wer gedacht hatte, in Sachen Wirecard wären nun alle skandalösen Details zumindest in Grundzügen bekannt, der wurde nun eines Besseren belehrt. Während in München ein weiterer führender Manager verhaftet wurde - der Chef einer Wirecard-Tochter aus Dubai stellte sich am Montag den Behörden - sorgte ein Bericht des „Handelsblatts“ für Aufseher. Er legte einmal mehr die Frage nahe, wie es sein konnte, dass Wirtschaftsprüfer, Finanzmarktaufsicht und Analysten nichts von den milliardenschweren Luftbuchungen des Zahlungsdienstleisters bemerkt haben, während die Bayerische Landesbank offenbar bereits einen Verdacht hatte: Demnach bemühte sich Wirecard schon vor Jahren vergeblich um einen Kredit bei der lokalen Landesbank. Doch die dortige Compliance-Abteilung hatte den Zahlungsdienstleister bereits bei der Finanzmarktaufsicht Bafin gemeldet – wegen Verdachts auf Geldwäsche. Ein Sprecher der Bank wollte sich dazu offiziell nicht äußern.

Den Informationen des „Handelsblatts“ zufolge bemerkten die Münchener Geldmanager Warnzeichen zu Wirecard. „Wir hatten Kreditanfragen von Wirecard, aber wir haben das Geschäft einfach nicht verstanden“, sagte ein Beteiligter. Ein anderer ergänzte, der Bayern LB seien „Bedenken vom Markt entgegengetragen“ worden. Hinzu kam die Einschätzung der hauseigenen Compliance-Abteilung. Nach Informationen aus der Bayerischen Landesbank galt es am Finanzplatz München offenbar als Allgemeinwissen, dass bei Wirecard etwas nicht stimmte. Doch die Bundesfinanzaufsicht (Bafin) griff nicht ein.

Schon länger rote Zahlen?

Die britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“, die seit Monaten über bilanzielle Unregelmäßigkeiten bei dem DAX-Konzern berichtet, hat indes einen Bericht veröffentlicht, wonach die unter Wirecard-Kontrolle stehenden Gesellschaften in Europa und Amerika seit Jahren rote Zahlen schreiben. Das gehe aus Anhängen zur Sonderprüfung durch KPMG hervor. Die mutmaßlichen Luftbuchungen sollten demnach wohl auch Verluste im Kerngeschäft kaschieren. Das Unternehmen wollte die Informationen der Zeitung nicht kommentieren.

2018, als Wirecard in den DAX aufstieg und die Commerzbank im Leitindex ersetzte, hätten die Geschäfte unter direktem Einfluss Wirecards einen operativen Verlust von 74 Millionen Euro gemacht. Auch im Jahr davor habe Wirecard in den Bereichen Geld verloren, während die offiziellen Geschäftszahlen für den Gesamtkonzern stetig steigende Gewinne auswiesen. Das Unternehmen wollte die Informationen der Zeitung nicht kommentieren.

Wirecard hat nach mehrfachen Verzögerungen des Geschäftsberichts für das vergangene Jahr Mitte Juni einräumen müssen, dass rund 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten auf den Philippinen mit großer Wahrscheinlichkeit nie existiert haben. Das Geld war offiziell für das sogenannte Drittpartnergeschäft in Asien vorgesehen, über das Wirecard nach eigener Darstellung Geschäfte in Ländern ohne eigene Lizenz abwickelte. Inzwischen hat Wirecard Insolvenz angemeldet.
Aktionärsschützer fordern nun mehr Transparenz. Der KPMG-Bericht müsse komplett offengelegt werden, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, zu Reuters. „Bisher kennen wir aber allein die Kurzfassung. Der komplette Bericht hätte bereits direkt offengelegt gehört, wie es auch von Wirecard ursprünglich avisiert wurde.“

Wirecard selbst hat nach wiederholten Vorwürfen der Bilanzmanipulation KPMG mit einer Sonderprüfung beauftragt – eigentlich mit der Absicht, sich reinwaschen zu lassen. Nach mehreren Verzögerungen wurde eine Kurzfassung schließlich Ende April veröffentlicht. Aus dieser ging hervor, dass KPMG sich nicht in der Lage sah, Wirecard einen Persilschein zu erteilen, weil dafür die nötigen Dokumente fehlten. Den Stein endgültig ins Rollen brachte Wirtschaftsprüfer EY, der das Testat für den Jahresabschluss verweigerte.

Aktie fällt wieder zweistellig

Die Wirecard-Aktie lag am Montagnachmittag als einziger DAX-Wert im Minus, und zwar gleich im zweistelligen Prozentbereich. Aktionäre, die das Papier schon länger haben, dürften das inzwischen gelassen sehen. Vor drei Wochen kostete eine Aktie noch 100 Euro. Zuletzt wurde sie um 2,7 Euro gehandelt.

(ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Insolvenz

Wirecards Kerngeschäft seit Jahren mit Verlusten

Die Wirecard-Gesellschaften in Europa und Asien sollen seit Jahren Verluste eingefahren haben, schreibt die „FT“.
Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz
Milliardenskandal

Wirecard: Deutscher Finanzminister will Finanzaufsicht umbauen

"Niemand sollte bloß die Luft anhalten und hoffen, dass nichts passiert. Wir müssen in allen Bereichen klären, was schief gelaufen ist.“ Sagte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz.
Gefälschte Einreisedaten

Wo ist Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek?

Wirecard-Vorstandsmitglied Jan Marsalek wurde in China vermutet. Nun habe sich herausgestellt, dass die Ein- und Ausreisedaten mit denen er über die Philippinen nach China gereist sein soll, gefälscht sind.
Wirecard Central Eastern Europe GmbH is seen in Vienna
Bilanzskandal

Grazer Wirecard-Tochter meldet Insolvenz an

Der milliardenschwere Bilanzskandal des deutschen Zahlungsdienstleisters wirkt sich auf seine Töchteruntenehmen aus. Auch das deutsche Finanzministerium überarbeitet sein Konzept.
Wirecard Central Eastern Europe GmbH is seen in Vienna
Insolvenz

Wer will was vom Wirecard-Kuchen?

Aus dem Bilanzskandal ist nun ein Betrugsfall geworden. Der Insolvenzverwalter will den deutschen Zahlungsabwickler zerschlagen. Konkurrenten bringen sich dafür in Stellung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.