Coronafilme auf Netflix

Filmemacher in der Quarantäne: "Homemade" ist beschämend belanglos

Netflix
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Für die Kurzfilmsammlung „Homemade“ haben sich 17 renommierte Filmemacher aus der Quarantäne Gedanken zur Pandemie gemacht. Besser, sie hätten sie für sich behalten.

Eine der drohenden Spätfolgen der laufenden Pandemie wird selten genannt: die Flut an mittelmäßigen Coronafilmen, die sich schon bald über unsere Kinos und Streaming-Plattformen ergießen wird. Einen Vorgeschmack bietet das Projekt „Homemade“, das seit 30. Juni auf Netflix verfügbar ist. Initiiert wurde es von der Produktionsfirma Fábula, die der chilenische Regisseur Pablo Larraín („Jackie“, „Neruda“) mit seinem Bruder betreibt. Larraín konnte eine Handvoll renommierter Filmemacherinnen und Filmemacher für sein Covid-Kaleidoskop gewinnen, ihre Namen wecken Interesse. Doch das Endresultat der Sammelaktion ist von frappierender, zuweilen fast beschämender Belanglosigkeit.

Die Kurzfilmauswahl (jeder Beitrag dauert zwischen sechs und zehn Minuten) teilt sich grob gesagt in drei Kategorien. Mit Abstand am schlimmsten ist der Erbaulichkeitskitsch: Die Kamerafrau Rachel Morrison schwelgt in sonnengetränkten Aufnahmen ihrer Kinder, die sich behütet von den Sorgen dieser Welt des Lebens freuen. Wie schön für sie! Noch penetranter: Die Montage unbeschwerter Penthouse-Heiterkeit, die Gurinder Chadha („Bend It Like Beckham“) dem Publikum auftischt. Sie lässt sich auch von Todesfällen in der erweiterten Verwandtschaft nicht aus der fröhlich-familiären Fassung bringen. Von den befremdlichen „Imagine“-Gesangseinlagen abgekapselter Superstars sind diese selbstgefälligen Aufzeichnungen aus dem Luxusloch nicht allzu weit entfernt.

Etwas erträglicher (aber auch nicht sehr erquicklich) sind die Episoden, die versuchen, Hüttenkollerstimmung Ausdruck zu verleihen. Sebastian Schipper („Victoria“) skizziert seinen Quarantäne-Alltag – Kochen, Zocken, Klampfenklimpern – als stetig steigende Selbst-Genervtheit: Bald ist seine Wohnung voller Schipper-Doubles, die sich gegenseitig scheel beäugen. Nadine Labaki lässt ihre kleine Tochter in einem vollgeräumten Arbeitszimmer herumturnen, ein quirliges Sinnbild gärenden Bunkerwahns. Kristen Stewart filmt sich indes minutenlang in Großaufnahme, murmelt nervös vor sich hin, ist ganz durcheinander. Die Arme! Am kuriosesten in der Nabelschau-Rubrik ist noch der Kunstfilmfurz Naomi Kawases, der mit ästhetisch übersteigerten Momentaufnahmen unsere kosmische Verbundenheit beschwört – und Sebastián Lelios verqueres Isolations-Musical.

Immerhin ein Teigtaschen-Rezept

Viele drehten ihre Beiträge mit Handys, Freunden und Verwandten, was manch ein Abspann stolz betont. Erstaunlich, dass niemandem einfiel, Corona unerwähnt zu lassen, frische Denkräume zu eröffnen. Am ehesten tut dies ausgerechnet Paolo Sorrentino, dessen Spielfiguren-Miniatur ein Date zwischen Papst Franziskus und der Queen imaginiert: Eine nette Parodie seiner eigenen High-Society-Balladen. Auch Larraíns Social-Distancing-Dramolett, in dem sich ein alternder Playboy bei Zoom-Meetings mit alten Flammen blamiert, erntet Humorbonuspunkte.

Erfrischend die wenigen Ausbrüche aus häuslicher Enge: Ladj Lys mahnender Banlieue-Drohnenflug, Ana Lily Amirpours Radtour durch ein leergefegtes Los Angeles (mit pseudophilosophischem Off-Kommentar von Cate Blanchett). Doch all das verblasst angesichts des einzig wirklich sehenswerten Kapitels dieser enttäuschenden Kollektion: Johnny Mas bittersüße Videobotschaft an seine Mutter endet mit deren Rezept für ausgesprochen schmackhaft anmutende Teigtaschen. Endlich etwas Nützliches!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2020)

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