OECD-Bericht

Coronavirus am Arbeitsmarkt: Zwischen Hilfe und Arbeitsanreiz

Die Gastronomie traf die Krise besonder stark.
Die Gastronomie traf die Krise besonder stark. Die Presse/Clemens Fabry
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Die Coronakrise hat die Erholung seit der Finanzkrise in wenigen Monaten zunichtegemacht. Die Regierungen lieferten prompt Hilfe – sie müsse aber zielgerichtet sein, so die OECD.

Die Jobkrise kam wie ein Donnerschlag – nun ist sie langsam auf dem Rückmarsch: Derzeit sind 442.089 Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet, das sind um 21.051 weniger als noch vor einer Woche. Alles gut? Mitnichten. Der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit dürfte uns noch bevorstehen. Herbert Buchinger, Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), erwartet diesen erst im Winter.

Dieses Schicksal teilt Österreich mit den meisten anderen Industrieländern. Der aktuelle Beschäftigungsausblick der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lässt nicht gerade Partystimmung aufkommen. „Die Erfolge einer Dekade waren binnen weniger Monate ausgelöscht“, heißt es in dem Bericht. Der Arbeitsmarkt in den Industrieländern hatte sich gerade einigermaßen von den Folgen der Finanzkrise erholt. Und wurde durch die Coronakrise prompt zurück auf neue Höchststände katapultiert. Bis Jahresende steigt die Arbeitslosigkeit in den OECD-Ländern auf 9,4 Prozent, so die Prognose. Im Fall einer zweiten Coronawelle sogar auf 12,6 Prozent.

Die Arbeitslosenquote dürfte damit deutlich höher steigen als zum Höhepunkt der Finanzkrise. „Das hinterlässt tiefe Spuren auf dem Arbeitsmarkt“, schreiben die Autoren. Obwohl Beschäftigte großflächig ins Home-Office übersiedelten, ist die Beschäftigung eingebrochen, weil befristete Verträge nicht verlängert wurden und Unternehmen keine neuen Mitarbeiter einstellten. Die Online-Stellenanzeigen gingen zwischen Februar und Mai in den USA und den europäischen Industrieländern um mehr als ein Drittel zurück.

Ärmere trifft es härter

Nebeneffekt des Home-Office: Im April und Mai reduzierten sich plötzlich die bezahlten Krankenstände in einigen OECD-Ländern, darunter Österreich. Die Experten erklären das damit, dass sich Menschen, die von zu Hause arbeiten, seltener krank melden.

Die Folgen der Krise bekommen vor allem sozial schwächere Gruppen zu spüren, analysieren die Autoren: schlecht Ausgebildete, Junge und Migranten, aber auch Frauen. Schlecht bezahlte Arbeiter seien entscheidend dafür gewesen, die Grundversorgung während des Lockdown aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig hätten sie deutlich öfter ihre Jobs verloren und höhere Einbußen beim Einkommen gehabt. Während die Arbeitslosigkeit als Folge der Finanzkrise Männer stärker getroffen habe, seien jetzt Frauen stärker betroffen.

Die OECD-Experten stimmen auch in den Chor jener ein, die vor einer „verlorenen Generation“ warnen: Die Jungen könnten zu den großen Verlierern dieser Krise gehören. „Die heurigen Absolventen stehen vor trostlosen Aussichten, mit geringen Chancen, einen festen Job oder zumindest ein Praktikum zu finden.“

Österreich hat in der Coronakrise zwölf Milliarden Euro für Kurzarbeit zur Verfügung gestellt (siehe Artikel unten) – und ist damit in guter Gesellschaft. Quer durch die Industrieländer haben Regierungen Programme aufgelegt, um Arbeitsplätze zu erhalten, oder zumindest das Arbeitslosengeld erhöht. Im OECD-Durchschnitt nahmen 25 Prozent der Beschäftigten Job-Erhaltungsprogramme wie die Kurzarbeit in Anspruch, in manchen Ländern waren es deutlich mehr: in Frankreich 55 Prozent, in Italien 45 Prozent. Auch Österreich liegt mit fast 40 Prozent weit über dem Durchschnitt. Das Ausmaß dieser Hilfen sei „historisch beispiellos“.

Moralisches Risiko

Solche Maßnahmen dienen der Schadensbegrenzung, warnen die Ökonomen. Wenn sich die Wirtschaft erholt, müssten die Regierungen eine Balance finden: Bedürftige unterstützen und gleichzeitig sicherstellen, dass der Anreiz, zu arbeiten, erhalten bleibt. So könne etwa die Arbeitslosenunterstützung an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Einige Industrieländer haben in der Coronakrise das Arbeitslosengeld erhöht oder die Bezugsdauer erweitert, darunter die USA, wo es dafür keine mit Österreich vergleichbare Kurzarbeit gibt. Kurzarbeit berge, wenn sie zu lang angeboten wird, ein moralisches Risiko, warnte die OECD unlängst: Manche Firmen nützen sie länger als nötig, obwohl sie schon längst wieder voll produzieren könnten.

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