Nationalrat

SpongeBob und die Türken

FPÖ-Abgeordneter Amesbauer hielt ein altes Foto von Bundeskanzler Kurz mit Männern hoch, die den Wolfsgruß zeigen.
FPÖ-Abgeordneter Amesbauer hielt ein altes Foto von Bundeskanzler Kurz mit Männern hoch, die den Wolfsgruß zeigen.APA/ROBERT JAEGER
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Zum Parlamentskehraus debattierte das Hohe Haus die Konjunkturmaßnahmen der Regierung. Zuvor aber sorgten die Demos in Wien Favoriten für einen heftigen Schlagabtausch.

Die letzten Plenartage vor der Sommerpause erinnern immer ein wenig an die letzte Schulwoche. Man kommt noch einmal zusammen, plaudert über gemeinsame Erlebnisse im abgelaufenen Parlamentsjahr, das auch für die 183 Mandatare einzigartig war, spricht über Urlaubspläne und ist insgesamt recht entspannt.

Und dann kommt Herbert Kickl. Für den FPÖ-Klubobmann kumulierten sich die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit rund um die Demos türkisch-nationalistischer und prokurdischer Gruppen in Wien Favoriten am Dienstag zum perfekten Auftritt: Es ging um Integration und Zuwanderung, sein Lieblingsthema; es ging gegen die ÖVP, seit dem Ende der türkis-blauen Koalition sein Lieblingsfeind; und er konnte wieder ganz in seiner Rolle als Oppositionspolitiker aufgehen, in der er nur kritisieren, nicht mehr gestalten muss.

Wobei: „Ich hätte als Innenminister Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um diesen Missstand (die Vorfälle in Favoriten, Anm.) abzuschaffen“, donnerte Kickl gleich zu Beginn der Aktuellen Stunde, um Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) einen guten Tipp zu geben: „Sie sollten weniger bellen und mehr beißen.“

Warnung an die Türkei

Aber auch das Bellen ist Kickl zu wenig, statt null Toleranz zu zeigen, seien Nehammers Ansagen in Richtung der Demonstranten „saft- und kraftlos“, er trage sie wie „ein alter Wiener Leierkasten“ vor. Kickl weiter zum Innenminister: „Sie agieren so weich wie ein Schwamm, was Ihnen zu Recht die Bezeichnung ,SpongeBob der Innnenpolitik‘ einbringt.“
Die Debatte bot den Parteien insgesamt einen willkommenen Anlass, Schuld an den Vorfällen in Favoriten mit Blick auf die bevorstehende Wiener Gemeinderatswahl zuzuweisen: Die FPÖ eben der ÖVP und der SPÖ. Die ÖVP der SPÖ, die in Wien versagt habe. Die SPÖ der ÖVP, die auf Bundesebene versagt habe. Nur die Grünen und die Neos glauben offenbar nicht, bei dem Thema dem politischen Gegner im Oktober Stimmen abspenstig machen zu können – sie plädierten am Dienstag pragmatisch für einen Schulterschluss gegen den Faschismus, für den Einsatz des Rechtsstaates und für einen Dialog.

Nehammer antwortete seinem einstigen Koalitionspartner Kickl mit einem subtilen Tiefschlag: Er habe die Auseinandersetzungen mit dem „wortgewaltigen Redner“ schon vermisst, freue sich aber, heute hier als Innenminister zu stehen. Seinen Vorgänger ließ er wissen, dass man konsequent gegen die Gewalttäter vorgehen werde. Sollte „ein anderes Land“, gemeint ist die Türkei, versuchen, hierzulande Unruhe zu stiften, werde es „die volle Konsequenz der Republik Österreich“ kennenlernen.
Den direkten Angriff auf die Wiener SPÖ überließ der Innenminister dem Sicherheitssprecher der ÖVP, Karl Mahrer, der „ein massives Integrationsproblem“ in Wien ortete und die Landesregierung zum Handeln aufrief. Manche Favoritner hätten sich bei ihm schon beklagt, dass sie „ihre Heimat verloren“ hätten.

Man müsse sich schon beim Richtigen beschweren, konterte SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried, nämlich bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der jahrelang in der Bundesregierung für die Integration zuständig gewesen sei.

Gegen den ÖVP-Chef schoss auch FPÖ-Mandatar Hannes Amesbauer, der ein altes Foto hochhielt, auf dem Kurz mit Männern zu sehen ist, die den Wolfsgruß der türkischen Rechtsextremen zeigen.
In der Debatte wirkte die grüne Abgeordnete Faika El-Nagashi wie eine Ruferin in der Wüste, als sie meinte, man dürfe die Ereignisse nicht für politisches Kleingeld und Stimmenfang verwenden, auch wenn die Versuchung noch so groß sein möge.

Reform des BVT

Damit endete die Aktuelle Stunde. Bestimmendes Thema aller anderen Stunden war das Konjunkturpaket, das unter anderem eine vorgezogene Steuerreform bringt, Direktzahlungen für Kinder und Arbeitslose sowie Erleichterungen für Unternehmen.
Die Positionen sind bekannt: ÖVP und Grüne halten ihre Maßnahmen für die besten, um Unternehmen und Menschen zu helfen, die Opposition für die schlechtesten, die Folge seinen Massenarbeitslosigkeit und eine Pleitewelle.

Am Mittwoch geht es unter anderem um die Einrichtung des Simon-Wiesenthal-Preises, am Donnerstag wird die Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz auf den Weg gebracht. Dann beginnt die friedliche Sommerpause.

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