Ausschreitungen

Ausgangssperre und Gewalt: In Serbien eskaliert die Coronakrise

Die Polizei versuchte die Menge mit Tränengas vom Parlamentsgebäude in Belgrad zurückzudrängen.
Die Polizei versuchte die Menge mit Tränengas vom Parlamentsgebäude in Belgrad zurückzudrängen.REUTERS
  • Drucken

Eine Ausgagnssperren soll von Freitag bis Montag gelten, um Coronainfektionen zu reduzieren. Demonstranten stürmten daraufhin das Parlament. Die offiziellen Erkrankungszahlen werden in Frage gestellt.

Bei den Ausschreitungen wegen einer neuen Corona-Ausgangssperre sind in der vergangenen Nacht in Belgrad nach Angaben von Polizeidirektor Vladimir Rebic 43 Polizisten und 17 Demonstranten verletzt worden. 23 Personen wurden festgenommen. Nach Angaben von Rebić wurden fünf Polizeiwagen in Brand gesetzt und drei Polizeipferde verletzt.

Der Protest von mehreren tausend Menschen - einigen Beobachtern zufolge dürfte es sich eine Zeit lang um bis zu 15.000 Demonstranten gehandelt haben - wurde durch eine Pressekonferenz von Präsident Aleksandar Vučić ausgelöst, bei der er für das kommende Wochenende vom Freitagnachmittag bis Montag früh erneut eine Ausgangssperre in Belgrad ankündigte. Grund seien die jüngsten Zahlen von Neuinfizierten, die sich zuletzt bei rund 300 Coronafällen täglich bewegten. In Krankenhäusern sind laut Vučić derzeit 4000 Erkrankte.

Nach amtlichen Angaben wurden bis Dienstagnachmittag seit März insgesamt 13.447 Krankheitsfälle und 330 Tote registriert. Aktiv Kranke soll es demnach 2942 geben, um 1000 weniger als von Vučić angegeben. Seit zwei Wochen halten in Belgrad Spekulationen darüber an, dass die von den Behörden täglich mitgeteilten Zahlen nicht der Wahrheit entsprechen.

Unterschiedliche Zahlen

Laut einem Bericht des Internetportals "Balkaninsight" vom 23. Juni - zwei Tage nach den Parlamentswahlen -, hatte es in der Woche zuvor täglich zwischen 300 und 340 neue Coronafälle gegeben. Offiziell lag der höchste Tageswert allerdings bei 97.

Unter Berufung auf die nie veröffentlichten Daten der Regierung meldete das Internetportal auch, dass zwischen 19. März und 1. Juni in Serbien 632 mit dem Coronavirus infizierte Personen gestorben seien. Nach offiziellen Angaben wurden in diesem Zeitraum 244 Tote verzeichnet. Eine offizielle Erläuterung dieser unterschiedlichen Daten gab es bisher nicht.

Protest gegen unklare Linie der Regierung

Der Unmut über die neue Ausgangssperre ist wohl auch von dem in der Öffentlichkeit verbreiteten Eindruck begleitet, dass nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes am 6. Mai die Coronakrise von den Behörden heruntergespielt worden war, um die Parlamentswahlen abzuhalten. Diese gewann überzeugend die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Aleksandar Vučić. Den Sprung ins 250-Sitze Parlament schaffte mit elf Mandaten nur eine Oppositionspartei.

Auch mehrere Fußballspiele, bei denen Publikum zugelassen war, und ein hochkarätig besetztes Tennisturnier in Belgrad, bei dem sich mehrere Tennis-Stars infizierten, dürften die Situation verschlechtert haben. Die SNS-Siegesfeier nach der Wahl brachte mehrere Teilnehmer, darunter Parlamentspräsidentin Maja Gojković, ins Krankenhaus.

Unterschiedliche Gruppen bei Demonstration

Bei den Protesten vor dem Parlament versammelten sich in der vergangenen Nacht ganz verschiedene Gruppen. Für den Einbruch ins Parlament dürften laut Beobachtern allerdings extreme Nationalisten verantwortlich sein.

Ministerpräsidentin Ana Brnabić beschuldigte die Oppositionspolitiker, die die Parlamentswahlen boykottiert hatten, der Ausschreitungen vor dem Parlament. "Da sie durch die Wahlen nicht ins Parlament gekommen sind, haben sie ihr echtes gewalttätiges Antlitz gezeigt, indem sie versucht haben, politische Punkte in der weltweit größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu sammeln", teilte sie in einer Aussendung mit.

Unter den Demonstranten waren in der vergangenen Nacht tatsächlich auch verschiedene Oppositionspolitiker zu sehen.

(APA/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.