Unruhen bei Demo

Steckt türkischer Geheimdienst hinter Unruhen in Favoriten?

KUNDGEBUNG DER ANTIFA BEIM ERNST-KIRCHWEGER-HAUS
KUNDGEBUNG DER ANTIFA BEIM ERNST-KIRCHWEGER-HAUSAPA/GEORG HOCHMUTH
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Wegen "militärisch organisierter Störaktionen" bei den Demos in Wien-Favoriten will Nehammer nun eine mögliche Beteiligung des Geheimdienstes prüfen. Raab kündigt ein "Frühwarnsystem" für  Parallelgesellschaften an.

Nach Ausschreitungen in Favoriten Ende Juni ist sich die Regierung weiterhin einig, dass der Konflikt „von außen" kommt. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sieht Anhaltspunkte für eine Involvierung des türkischen Geheimdienstes. Unter anderem berichtete er am Mittwoch von gut organisierten Teams, die Teilnehmer kurdischer und linker Kundgebungen gefilmt hätten. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) will sich indessen einmal mehr "Parallelgesellschaften" ansehen.

Türkische Nationalisten hatten vorige Woche mehrere Demonstrationen kurdischer und linker Aktivisten angegriffen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte der Türkei daraufhin vorgeworfen, mit ihrem Einfluss auf türkische Vereine in Österreich "Unfrieden zu säen". Eine eigene Sonderkommission unter Einbindung des Verfassungsschutzes soll nun eine mögliche Involvierung des türkischen Geheimdienstes erfassen.

Konkret wurden laut Nehammer bei den Kundgebungen "Dokumentationsteams" beobachtet, die ihre Kameras ausschließlich auf die Versammlungen von Kurden und Linksaktivisten gerichtet hätten sowie "militärisch organisierte Störaktionen". Damit sei gezielt versucht worden, die Polizeikräfte auseinanderzuziehen und anderswo neue Brennpunkte zu schaffen, um dann die von kurdischen und linken Demonstranten organisierte Hauptkundgebung angreifen zu können. Weitere Details zu den Ermittlungen will er am Freitag veröffentlichen. Sollte der türkische Geheimdienst dahinter stehen, werde man das aber "nicht dulden".

„Frühwarnsystem" für Parallelgesellschaften

Integrationsministerin Raab kündigte indessen einmal mehr an, sich des politischen Dauerbrenners der "Parallelgesellschaften" annehmen zu wollen. Sie kündigte ein "Frühwarnsystem" an, mit dem - anhand von Daten zu Migrationshintergrund, Bildung, Arbeitsmarkt sowie sozialer und räumlicher Segregation - festgestellt werden soll, wo sich mögliche Problemzonen entwickeln. Welche konkreten Maßnahmen dann gesetzt werden sollen, sagte Raab nicht und sprach nur allgemein von möglichen Ansatzpunkte bei Bildung und Stadtteilplanung.

Freilich hatte schon der heutige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei seinem Antritt als Integrationsstaatssekretär 2011 angekündigt, dafür sorgen zu wollen, "dass Parallelgesellschaften nicht noch weiter wuchern". Dass seither nichts geschehen wäre, ließ Raab nicht gelten und verwies auf Werte- und Deutschkurse bei neuen Zuwanderern. Die Versäumnisse der Gastarbeiterintegration der 60er und 70er Jahre habe die Regierung bei den Flüchtlingen der letzten Jahre vermieden. Auf die Konflikte zwischen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund wirke sich das aber noch nicht aus, so Raab.

Rasch zusammentreten soll nun auch das 2017 eingerichtete "Bundesweite Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung" (BNED), kündigte Nehammer an. Darin sind 27 Organisationen - von Bundes und Landesregierungen bis hin zu Bewährungshilfe und Jugendzentren - umfasst.

Beim Konflikt zwischen in Österreich lebenden Türken und Kurden, der bei den Ausschreitungen in Favoriten eskaliert war,  war die Regierung bisher wenig erfolgreich. Ein geplantes Krisentreffen zwischen Vereinen beider Konfliktparteien musste am Dienstag abgesagt werden.

Begrüßt wurde diese Ankündigung vom Wiener Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Er forderte in einer Aussendung, das Netzwerk auch bei der geplanten Dokumentationsstelle gegen politischen Islam einzubeziehen und auch ein Ausstiegsprogramm für Extremisten (inklusive Rechtsextreme) anzubieten.

(APA)

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