Massenpanik: "Nicht anstecken lassen"

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Ein Experte rät, bei einem Tumult in Menschenmassen am Rand oder in der Nähe von Säulen Schutz zu suchen.

WIEN. Eine Loveparade hat Österreich derzeit keine (die letzte fand 2002 statt) – dafür zahlreiche andere Großveranstaltungen wie Festivals oder Fußballspiele. Obwohl es dabei vergleichsweise selten zu Todesfällen kommt, ist die Gefahr einer Massenpanik auch bei bester Organisation nie auszuschließen. Wie aber soll sich der Einzelne im Falle des Falles verhalten?

„Menschen in Panik handeln nicht mehr rational. Es geht also darum, selber ruhig zu bleiben und sich nicht vom Chaos anstecken zu lassen“, empfiehlt Clemens Hausmann, klinischer Psychologe und Experte auf dem Gebiet der Notfallpsychologie. Befindet man sich inmitten einer Menge, die konstant in eine Richtung drängt, sollte man versuchen, dem Druck so gut wie möglich auszuweichen. Deshalb sei es ratsam, sich an den Rand oder zu einem Pfeiler zu stellen, dorthin, wo der Druck schwächer und die Gefahr kleiner ist, überrannt zu werden.

Warum Menschen auf wenig Raum weiter drängeln, anstatt ruhig stehen zu bleiben und abzuwarten, erklärt der Psychologe anhand eines Beispiels: „An der Supermarktkasse will auch jeder schnell zahlen und nach vorne. Der Unterschied ist nur, dass ich die Schlange vor mir überblicken kann, ich weiß, dass Drängeln nichts bringt, weil ich ohnehin gleich an die Reihe komme.“ Diese Übersicht habe auf der Loveparade gefehlt.

Neue, von hinten nachrückende Besucher standen an, wussten aber nicht, was vorne los war. So baute sich schnell ein ungeheurer Druck auf. „Da reicht dann auch schon eine Kleinigkeit, einer schreit „Aua!“ oder stolpert, und schon kommt es zu einer unkontrollierbaren Kettenreaktion.“

Pfeiler, um Menge zu teilen

Wichtigstes Mittel zur Verhinderung einer solchen Panik seien laut Hausmann bauliche Maßnahmen wie Zäune oder Pfeiler, um die Menge zu teilen. Außerdem müsste ein Veranstaltungsgelände bei Überfüllung nicht erst bei den Eingängen, sondern schon sehr weiträumig abgesperrt werden.

UNFÄLLE BEI MASSENVERANSTALTUNGEN

Uni-Unglück 1994: Bei einem Fest an der Uni Wien drängen die Massen gegen eine Balustrade – von herabfallenden Trümmern wird eine Studentin tödlich getroffen, 18 Menschen werden verletzt.

Bergisel 1999: Unter den 40.000 Gästen eines Snowboard-Events im Innsbrucker Bergisel-Stadion bricht Panik aus, fünf Frauen werden zu Tode getrampelt, eine weitere Frau stirbt Monate später an den Folgen.

Frequency 2005: Bei dem Musikfestival auf dem Salzburgring stürzt eine Brücke ein, 31 Menschen werden zum Teil schwer verletzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2010)

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