Reportage

Debatte zwischen Favoriten und Bleiburg im Nationalrat

Im Fokus der letzten Sitzung vor der Sommerpause stand Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) in einer Fragestunde.
Im Fokus der letzten Sitzung vor der Sommerpause stand Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) in einer Fragestunde. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Zum letzten Mal vor der Sommerpause tagte der Nationalrat. Manche Gemüter erhitzt hat dabei der Aktionsplan gegen Extremismus. Das umstrittene Kroaten-Treffen in Bleiburg könnte indes untersagt werden.

Blaue Rauchschwaden steigen auf im schattigen Durchgang zur kaiserlichen Schatzkammer, während vor vergoldeten Flügeltoren Frauen und Männer zusammenstehen, um ihre Nikotinsucht zu befriedigen. Nur kurz allerdings haben sie zwischen 80 Tagesordnungspunkten dafür Zeit.
Zum vorerst letzten Mal kommen die 183 Nationalratsabgeordneten an diesem Donnerstag in der Wiener Hofburg zusammen, um die ausgerufene „Marathonwoche“ vor der Sommerpause abzuschließen. Aufgeheizt sind an diesem Tag aber nicht nur das Kopfsteinpflaster am Josefplatz, sondern auch die Debatten im Inneren.

Von vorsommerlicher Müdigkeit ist – trotz Coronakrise – wenig zu bemerken: Eine Fragestunde mit Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) leitet die mittlerweile dritte Sitzung der Woche ein.
Eine von 13 Fragen dreht sich um die Karikatur von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Tageszeitung, die den „strukturellen Sexismus“ in der österreichischen Gesellschaft verdeutliche, wie SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek betont. Nach konkreten Maßnahmen für die weibliche Altersarmut, coronabedingtes Burn-out und der Mehrfachbelastung im Lockdown fragen Neos, FPÖ und ÖVP.

„Straßenschlacht“ in Favoriten

Dominiert aber wird die Fragestunde von den „Straßenschlachten“ in Favoriten, die Raab und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der danach auf der Regierungsbank Platz nehmen wird, zu einem Aktionsplan gegen Extremismus veranlasste. Verwundert, dass diesen „die Medien einfach so schlucken“, zeigt sich Neos-Integrationssprecher Yannick Shetty. Er spricht angriffig, fast vorwurfsvoll. „Wir sind hier in einer Fragestunde und nicht in der Debatte“, wird ihn Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) später ermahnen. Die angekündigte Dokumentationsstelle für politischen Islam, die Shetty per se zwar nicht ablehne, aber deren Namen er in Hinblick auf die Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) gegenüber der „Presse“ als „Pietätlosigkeit“ empfindet, regt ihn sichtlich auf. Um die „sicherheitspolitischen“ Fragen in Favoriten müsste sich zudem das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) und nicht eine Dokustelle kümmern.

„Man greift sich den politischen Islam heraus, weil es so gut passt“, sagt auch SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yılmaz zur „Presse“. Was in Favoriten passiere, sei kein religiöser, sondern „ein politisch motivierter Extremismus“. In der Debatte aber vermischten sich verschiedene Arten von Radikalisierung. Zwar würden sich manche Extremisten „unter dem Deckmantel“ von religiösen Vereinen in Moscheen treffen, dennoch im Auftrag von türkischen Nationalisten und nicht etwa IS-Ideologen handeln.

Launiges Finale

„Es fehlt mir an Problembewusstsein“, verteidigt sich Raab im Plenum und kritisiert die „jahrzehntelangen Versäumnisse“ der Wiener Politik. Konkret meint Raab die Zeit der Gastarbeiter seit den 1970er-Jahren und deren „romantischen Vorstellungen von Multikulturalität“. Selbst Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hatte die Integration zuletzt als „wunden Punkt“ bezeichnete, bei der „uns nicht viel gelungen“ sei. Raab aber kassiert hämisches Klatschen aus den SPÖ-Reihen. „Mir geht es nicht um Schuldzuweisungen“, appelliert sie weiter. „Da muss man doch was tun und an einem Strang ziehen!“

Eine Klammer der Sitzung, die unter anderem auch BVT-Reform, homophobe „Hate Crime“ oder illegalen Organhandel debattiert, bildet ein weiterer Konflikt, der im Ausland wurzelt, im Inland aber seine Blüten treibt: Für das umstrittene „Bleiburg-Treffen“ einigten sich ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos auf einen Entschließungsantrag, der die kroatische Gedenkfeier in Kärnten (die wiederholt gegen das Verbotsgesetz hatte), evaluiert und dessen Untersagung ab 2021 prüft. Stefanie Krisper von den Neos freut das „Ende dieses unwürdigen Schauspiels“, heftiger Protest kommt von der FPÖ. Von „Überheblichkeit“ und „Anmaßung“ spricht FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer.

Abseits der hitzigen Wortgefechte aber macht sich in den Gängen der Hofburg das baldige Sommerloch dann doch bemerkbar. Im Raucherhof wird über die „brenzligen“ Vorkommnisse des Vortags gescherzt (im Müllraum hatte es gebrannt), da und dort wird an Bier und Spritzer genippt. Die Zwischenrufe seien deshalb abends besonders launig, erzählt ein Abgeordneter. Bleibt zu hoffen, dass eine mögliche zweite Coronawelle Sondersitzungen in der Pause erzwingt - und die sommerliche Laune wieder verdirbt.

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