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Brauns Aufstieg und Fall in Wiens Gesellschaft

Der gefallene Wirecard-Chef war ein beliebter Gast in den Salons der Bundeshauptstadt und gern gesehener Gesprächspartner bei Lunchs und Dinners.
Der gefallene Wirecard-Chef war ein beliebter Gast in den Salons der Bundeshauptstadt und gern gesehener Gesprächspartner bei Lunchs und Dinners. APA/dpa/Lino Mirgeler
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Der gefallene Wirecard-Chef war ein beliebter Gast in den Salons der Bundeshauptstadt und gern gesehener Gesprächspartner bei Lunchs und Dinners. Nicht nur Bundeskanzler Sebastian Kurz bat ihn in sein Netzwerk.

Manchmal ist ein sogenanntes politisches Netzwerk mehr ein typisches Stück der Wiener Gesellschaft denn eine Machtallianz. Und die Wiener Gesellschaft reagiert mitunter situationselastisch, wie man seit Jahrhunderten weiß. Der Aufstieg und Fall des Markus Braun ist ein typisches Beispiel dafür.

Noch nie zuvor haben so viele klingende Namen in dieser Stadt mit Aktien eines einzelnen Unternehmens so viel Geld verloren. Denn vom Ex-Politiker über den Gastronomen bis zum Verleger: Sie alle vertrauten Markus Braun. Der „Bill Gates aus Österreich“, wie er einmal bezeichnet wurde, war seit Jahren ein gern gesehener Gast bei Dinner-Partys, Business-Lunchs und Digitalkonferenzen. Naturgemäß erinnern sich nun viele nicht mehr so genau daran, Vergesslichkeit ist eine nicht nur in Wien häufig zu beobachtende Eigenschaft.

Einige wenige Freunde und Bekannte haben noch Kontakt mit Braun, ihre Zahl ist aber sehr überschaubar. Nur Lobbyist Wolfgang Rosam nennt Braun noch einen „Freund“, spricht von einer „furchtbaren menschlichen Tragödie“. Er sei überzeugt, dass Braun genauso betrogen wurde „wie wir Anleger“. An dieser These zweifeln freilich viele.

Die zentrale Frage, die seit seinem Haftbefehl, der Anklage und der Insolvenz des Unternehmens in vielen Gesprächen diskutiert wird: War er mutmaßlicher Mittäter, wusste der in Deutschland unter dem Verdacht der Bilanzfälschung festgenommene frühere Wirecard-Chef davon und schwieg? Oder ist er selbst Opfer?

Die Absetzbewegungen sind kaum zu übersehen, plötzlich will kein Netzwerk, das den österreichischen DAX-Vorstand noch vor Kurzem umwarb, mit ihm gearbeitet haben. Fest steht, dass er gute Kontakte zu ÖVP, SPÖ und Neos hatte und pflegte. Die sich wiederum erhofften, dass von Brauns Digitalkompetenz auch etwas auf sie abfiele.

Braun war Strategiegremium „Think Austria"

Bei der ÖVP ist es die aktuelle Führung, die Braun schätzte. Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte Braun zu Beginn seiner Regierungszeit in sein Strategiegremium „Think Austria“ berufen. Im Kanzleramt will man davon heute nichts mehr wissen. „Seit es die neue Regierung gibt, ist Herr Braun nicht mehr in den Thinktank eingebunden“, sagte ein Sprecher auf APA-Anfrage. Unter der neuen Regierung habe es „keinen Kontakt“ mehr mit Braun gegeben.

Allerdings hatte die Leiterin ebendieses Thinktanks, die Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler, noch vor Kurzem verkündet, dass das Team und der Expertenstab im Wesentlichen erhalten bleiben sollen: Dazu hatten in der ersten Periode unter anderem Ex-UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon gehört, Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner, der Molekularbiologe Josef Penninger, die Direktorin des Jüdischen Museums in Wien, Danielle Spera – und eben Markus Braun. Man versuche, „die besten der Besten aus allen Bereichen“ einzubinden, um das Urteilsvermögen zu schärfen, meinte Antonella Mei-Pochtler vor wenigen Monaten dazu.

Den ÖVP-Wahlkampf 2017 hatte Braun mit Spenden unterstützt – und zwar mit in Summe 70.000 Euro in zwei Tranchen. Auch an die Neos hat Braun in den Jahren 2014 bis 2016 gespendet – insgesamt 125.000 Euro, wie aus den Rechenschaftsberichten der Partei hervorgeht. Damals war es das sehr gute Verhältnis zwischen Braun und Neos-Parteichef Matthias Strolz, die sich kennen- und schätzen gelernt hatten.

Christian Kerns Connection zu Braun

Die SPÖ kündigte nun eine parlamentarische Anfrage an, um das „Naheverhältnis“ zwischen Sebastian Kurz und Markus Braun zu ergründen. Vielleicht kann Kurz-Vorgänger Christian Kern das besser verstehen als die aktuelle SPÖ-Führung. Denn Kern hatte nicht nur als ÖBB-Vorstandsvorsitzender den Vertrag mit Wirecard über den Zahlungsverkehr der Bahn abgeschlossen, sondern ihn ebenfalls als Diskussionspartner geschätzt. Markus Braun war ungefähr im Jahr 2016 als Star einer von Kerns Ehefrau veranstalteten Digitalkonferenz aufgetreten. Auf dem Podium saßen mit der Wiener Stadträtin Ulli Sima und Verteidigungsminister Gerald Klug zwei prominente SPÖ-Politiker – und waren sichtlich angetan. Der Autor dieser Zeilen moderierte die Veranstaltung.

Und im Fabios hatte Braun immer denselben Tisch. Den hat nun ein anderer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2020)

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