Mein Freitag

So viele Regenbögen, wie wir brauchen

Erklär mir den Regenbogen, Kind!
Erklär mir den Regenbogen, Kind!REUTERS
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Die Zukunft hat mich schon zurückgelassen, denke ich, als mir eine junge Kollegin geduldig die Zusatzfunktionen des neuen Messenger-Systems erklärt. Es ist großartig, was alles möglich ist, aber es ist auch ernüchternd, wie fremd manches ist, was für andere ganz alltäglich geworden ist.

Gleichzeitig hat auch die digitale Generation einen starken Drang, Dinge völlig altmodisch auszudrucken. Die elektronische Schule des Coronasemesters hat meterhohe Zettelhaufen hinterlassen, und da man im Entrümpeln neuen Schwung hat, müssen sie sofort zum Altpapier. Schwarze Karpaten, geht dahin, gemeinsam mit dem Sonnenkönig und den Regenwürmern. Wir sind fertig mit euch für den Sommer.

Das meiste davon ist auf Festplatten gespeichert, manches davon sogar im Gedächtnis. Ein Kollege, den wir auch Meister des unnützen Wissens nennen (Meister des nützlichen Wissens ist er auch, aber damit kann man ihn nicht aufziehen), ist hierbei ein großes Vorbild. Auch wenn man nicht in Quizshows auftreten wird, ist es schön, Details zu wissen, die zwar nicht den Lauf der Welt verändern, aber unterhaltsam sind.

Das solide Schulwissen kommt indessen in diesem labilen Sommer gut an. Selten hat das Wetter einen so widergespiegelt wie jetzt, zwischen verhalten und laut, windig, brütend, kalt und heiß, auf jeden Fall aber mit genug Drama. Erklär mir den Regenbogen, Kind, und warum es regnet, auch wenn über uns keine Wolke hängt. Und dann zähl, wie weit das Gewitter weg ist. Schnell erklärt ist, warum die Marillenbäume keine Früchte tragen.

Bei der ersten gemeinsamen Redaktionssitzung halten wir so viel Abstand, dass die, die schlecht hören, sich aufs Lippenlesen verlegen. Leider geht schlecht hören und schlecht sehen oft miteinander einher. Der letzte Eintrag einer gemeinsamen Sitzung stammt vom 12. März. Die Zeit dazwischen ist wie ausgelöscht, aber sichtbar in den Gesichtern. Müde schauen alle aus.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2020)

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