Biologie: Das Auge der Quallen

(c) Gehring
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Auf der Suche nach dem Ur-Auge ist Walter Gehring, treuester Darwinist, wieder weitergekommen.

Auch Quallen haben Augen, manche können gleich an verschiedenen Regionen des Körpers Licht detektieren, mit dem universellen Sehpigment Rhodopsin, das auch alle höheren Tiere haben: „Bei Cladenoma radiatum haben wir 18 Rhodopsin-Gene gefunden, vier in den Augen, andere in den Tentakeln und wieder andere in den Ovarien und Eiern", berichtet Walter Gehring (Uni Basel): „Letztere haben uns auf unsere derzeit wildeste Theorie gebracht: Sie könnten damit zusammenhängen, dass Quallen während bestimmter Mondphasen ablaichen", dass also die Ovarien „sehen", wann Zeit ist.


Aber das ist nur Hypothese, und richtig entwickelte Augen haben diese Quallen nur an ihrem Mantel, sie nutzen sie für die Jagd und, bei Tageslicht, für die Oben-/Unten-Orientierung. Und sie sollen nun die alte Frage klären, wann und wie das Auge entstanden ist? Und ob so etwas Komplexes wie das Auge - bzw. die kaum überschaubare Vielfalt von Augen - überhaupt entstanden sein kann, aus einfachsten Anfängen.
„Das scheint, ich gestehe es freimütig, im höchsten Grad absurd", schrieb Darwin im sechsten Kapitel seines „Origin of Species", in dem er sich über die „Schwierigkeiten der Theorie" mehr Gedanken machte als Kreationisten 150 Jahre später. Aber, fuhr er fort, „umgestürzt" werden müsse die Theorie nicht: Man könne sich unzählige Übergänge vorstellen, die alle bei einem Auge begonnen hätten, einem Ur-Auge aus zwei Zellen, einer Pigmentzelle und einer Nervenzelle.

Ur-Auge aus zwei Zellen


Darin folgten ihm nicht einmal seine deklarierten Musterschüler, die Neodarwinisten mit Ernst Mayer an der Spitze: Natürlich stand auch für sie fest, dass die Augen Produkte der Evolution sind. Aber es gibt eben so viele verschiedene Typen von Augen, dass den Neodarwinisten ein gemeinsamer Ursprung aus einem Ur-Auge unvorstellbar erschien: Mindestens 40 Mal seien Augen unabhängig voneinander in der Evolution entstanden, vielleicht gar 65 Mal.


Aber 1995 kam ein Lebewesen, wie es der Mensch noch nie gesehen hatte, und die Natur auch nicht; eine Fruchtfliege, die überall Augen hatte, auch an Beinen und Antennen. Sie kam aus Gehrings Labor, er hatte ihr ein Augenentwicklungs-Gen eingepflanzt, Pax-6. Es stammte nicht von einer Fliege, sondern von einer Maus. Aber es konnte für das Augenentwicklungs-Gen der Fliege (ey) einspringen. Das funktionierte auch umgekehrt, Gehring ließ Fröschen mit implantiertem Fliegen-ey Zusatzaugen wachsen: Die Gengruppe Pax (ey gehört dazu) erwies sich als „Master-Gen": Sie ist ein Transkriptionsfaktor, der die Augenentwicklung bei allen höheren Tieren steuert.


Nun hat Gehring ein Pax-Gen auch in der Qualle Cledonoma radiatum gefunden, Pax ist also uralt, es kam vor der Trennung der radiärsymmetrischen Nesseltiere und der bilateralsymmetrischen Tiere. Es ist sogar noch älter, auch Schwämme haben es schon, obwohl sie keine Augen haben. Aber ihr Gen macht Fliegen Augen, auch das hat Gehring jetzt gezeigt, für ihn ist Darwins Ur-Auge damit noch näher gerückt (Pnas, 26. 7.)
Ginge der Ur-Augen-Beweis nicht einfacher über die Rhodopsine, die alle Augen haben? Nein, Rhodopsine sind hoch spezialisierte Gene/Proteine, die von jedem sich entwickelnden Auge hätten rekrutiert werden können. Pax hingegen hat viele Funktionen - es steuert auch die Entwicklung des Geruchssinns -, es hätte sich irgendwann in der Evolution auch auf anderes spezialisieren können, und ein anderer Transkriptionsfaktor hätte die Augen übernehmen können. Aber es ist ihm treu geblieben von Anfang an - das weist zum Ur-Auge.

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