Junge Forschung

Was der richtige Anreiz ausmacht

Alexander Ahammer möchte zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beitragen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen helfen.
Alexander Ahammer möchte zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beitragen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen helfen. Hermann Wakolbinger
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Der Ökonom Alexander Ahammer von der Universität Linz erforscht, wie arbeitsmarktpolitische Entscheidungen Krankheitsanfälligkeit und Drogenmissbrauch beeinflussen.

Anreize sind wie die berühmte Karotte vor der Nase. Auf ein Signal, für das sie empfänglich sind, reagieren Menschen instinktiv. „Im Prinzip ist es egal, ob es der von der Chefin versprochene Bonus für eine besondere Leistung ist oder die auf der Augenhöhe von Kindern platzierte Nascherei neben der Supermarktkassa“, sagt Alexander Ahammer. „Die Volkswirtschaftslehre interessiert sich grundsätzlich für Mechanismen, die unser Verhalten beeinflussen können.“ Damit seien nämlich jede Menge relevante Fragen und auch mögliche Lösungen für gesellschaftliche Schieflagen verbunden. Längst drehe sich nicht mehr alles rein um Finanzpolitik und Wirtschaftswachstum. „Auch Arbeit, Gesundheit oder Bildung lassen sich nicht losgelöst von ökonomischen Zusammenhängen sehen.“

Ahammer forscht am Institut für Volkswirtschaftslehre der Johannes-Kepler-Uni in Linz, wo er 2018 promoviert hat. Ab Herbst wird er dort Assistenzprofessor für den Themenbereich „Big Data und Angewandte Ökonometrie“ sein. „Ich suche in großen Datenmengen nach Hinweisen auf soziale Ursache-Wirkung-Beziehungen“, erklärt der 31-Jährige. „Schon als Student hat es mich fasziniert, wie gut sich gesellschaftliche Verhältnisse mit einfachen mathematischen Modellen beschreiben lassen.“

Arbeitslosengeld schützt

Eigentlich hatte er – nach einer Bürokaufmann-Lehre und der abendlich nachgeholten Matura – zunächst Betriebswirtschaft inskribiert. „Doch nach dem ersten Volkswirtschaftslehre-Kurs verliebte ich mich in das Fach.“ Nun arbeitet er zu Themen, die ihm am Herzen liegen. „Gesundheitspolitik zum Beispiel, die fand ich immer schon spannend.“ Unter anderem stellt Ahammer Drogensucht in den Fokus seiner ökonomischen Forschung. „Bis vor Kurzem war das in unserem Gebiet eher ein Randthema.“ Erst als die Abhängigenzahlen und Todesfälle durch den Missbrauch von Opioid-Schmerzmitteln in den USA rasant anstiegen, wurde die Wirtschaftswissenschaft darauf aufmerksam. Dem Oberösterreicher kam auch ein persönlicher Bezug zu der Problematik zugute. „Ich bin als Teenager unter Menschen aufgewachsen, die nicht so viel Glück im Leben hatten wie ich“, erzählt er. „Was Drogen anrichten, habe ich hautnah miterlebt. Vielleicht kann ich mich deshalb sehr leicht in menschliche Notlagen einfühlen.“

Gerade hat er zusammen mit einer US-amerikanischen Kollegin ein Projekt abgeschlossen, das Wechselwirkungen zwischen der Dauer von Arbeitslosengeldbezug und Drogen- sowie Alkoholmissbrauch untersuchte. „Wir wollten wissen, ob lange Zeit alimentierte Arbeitslose stärker dazu neigen.“ Das Gegenteil war der Fall. „Vor allem Frauen nahmen viel weniger Drogen, wenn sie länger Arbeitslosengeld bekamen.“ Nach der Ausweitung der Analyse auf andere Gesundheitsindikatoren fanden sich ähnliche Auswirkungen auf Depressionen und koronare Herzerkrankungen. „Dass Arbeitslosigkeit krank macht, weiß man. Wir konnten aber zeigen, dass die großzügige Arbeitsmarktpolitik in Österreich diesen Effekt zumindest teilweise abfedern kann.“

Natürliche Experimente

Ziel seiner Forschung seien klare und gut umsetzbare Politikempfehlungen, so Ahammer. „Um optimale Lösungen zu finden, müssen wir die Anreize, die politische Maßnahmen in Gang setzen, genau verstehen.“ Allerdings seien Experimente in den Sozialwissenschaften nicht so einfach zu bewerkstelligen. „Ich kann nicht 50 Personen arbeitslos werden lassen und nach einem Jahr schauen, ob sie Suchtverhalten an den Tag legen.“ Um dennoch etwas über solche Fragen aussagen zu können, brauche es sogenannte natürliche Experimente. „Das können unerwartete Ereignisse, Firmenschließungen oder Gesetzesänderungen sein, von denen zufällig manche profitieren und andere nicht.“ Die Folgen so entstandener Bedingungen beforsche man dann.

Über die Frage nach seiner Freizeit muss der Ökonom lächeln. „Zu Beginn einer Forscherlaufbahn hat man die kaum“, meint er. Aber immerhin könne er bald ausgiebig Meer und Sonne genießen: Der sommerliche Besuch bei der Familie seiner Freundin in Griechenland steht wieder an.

Zur Person

Alexander Ahammer (31) hat an der JKU Linz Wirtschaftswissenschaften studiert und 2018 in Volkswirtschaftslehre promoviert. Seither ist der Oberösterreicher dort Universitätsassistent; im Herbst wird er eine Laufbahnstelle als Assistenzprofessor mit dem Titel „Big Data und Ökonometrie“ antreten. Er forscht zu arbeitsmarkt- und gesundheitsökonomischen Themen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2020)

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