Urteil

Hagia Sophia in Istanbul wird wieder Moschee

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Die christliche Basilika wurde nach der Eroberung Ostroms durch die Türken 1453 zur Moschee, nach Gründung der Türkei zum Museum. Die Unesco warnt vor Veränderung des Welterbe-Objektes. Präsident Erdogan kündigt bereits moslemische Gebete in dem Gebäude an.

Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hat am Freitag in einem sehr heiklen Urteil den Weg dafür geebnet, die weltberühmte „Hagia Sophia" in Istanbul (wieder) in eine Moschee umzuwandeln. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldet, kippte das Gericht den seit 1935 bestehenden Status eines Museums für den byzantinischen Kuppelbau aus dem 6. Jahrhundert.

Stattdessen könne die Hagia Sophia, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, für muslimische Gottesdienste genutzt werden, hieß es in der Gerichtsentscheidung.

Zuvor hatte die UNESCO die Türkei vor der eigenmächtigen Umwandlung des gewaltigen Gebäudes in eine Moschee gewarnt. Mit dem Status als Weltkulturerbe seien "eine Reihe von Zusagen und rechtlicher Verpflichtungen verbunden", erklärte die UN-Kulturorganisation, und rief die Türkei vor einer Entscheidung zum Dialog auf. Ein Staat dürfe "keine Veränderung an dem herausragenden universellen Wert" eines Welterbe-Monuments vornehmen, unterstrich die UNESCO.

Die erste islamische Eroberungswelle

Die Hagia Sophia gehört als Teil der Istanbuler Altstadt zum Welterbe. Sie wurde im 6. Jahrhundert zunächst als christliche Basilika des oströmischen Reiches errichtet, nach dem Vordringen des Islams und letztlich der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 aber in eine Moschee umgewandelt. Nach der türkischen Republiksgründung wurde sie 1935 zum „neutralen" Museum.

Arild Vågen/CC BY-SA 3.0

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Umwandlung in ein Museum zuletzt als "großen Fehler" bezeichnet. Die säkulare türkische Opposition und die USA als wichtigster Verbündeter der Türkei sind gegen eine Nutzung als Moschee. Beobachter werten die mögliche Umwandlung auch als demonstrativen Ausdruck eines Kulturkampfes zwischen der Türkei und dem Islam mit dem Westen und dem Christentum.

Provokation gegen Millionen Christen

In einer ersten Reaktion zeigte sich die russisch-orthodoxe Kirche enttäuscht von der Entscheidung, mit der die Meinung von „Millionen von Christen" ignoriert werde. Türkische Regierungsvertreter und Islamisten begrüßten das Urteil dagegen.

Erdogan selbst wollte sich laut dem Präsidialamt am Abend in einer Fernsehansprache an die Nation richten. Die Rede war für 20.53 Uhr türkischer Zeit (19.53 Uhr MESZ) geplant: Das entsprach 1453 – dem Jahr der Eroberung von Konstantinopel – plus 600, die Zahl der Jahre, in denen die Hagia Sophia bis zu Atatürks Kabinettsentscheidung eine Moschee war. Man kann darin also durchaus eine Provokation sehen. 

Das Urteil könnte eine brisante politische Entwicklung in Gang setzen, deren Konsequenzen noch nicht absehbar sind - sowohl in der Türkei als auch international. Erdogan geht es vor allem um seine große Agenda: die Beerdigung des von Atatürk durchgesetzten Laizismus und die Re-Islamisierung der Türkei. Mit einer "Moscheeisierung" der Hagia Sophia könnte Erdogan sich vor seiner Klientel als moderner Sultan Mehmet II., genannt "der Eroberer" (türkisch: Fatih), inszenieren und fast ein Jahrhundert türkischer Geschichte sinnbildlich zurückdrehen.

(APA/AFP/red.)

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