Interview

Araba Evelyn Johnston-Arthur: „In Europa herrscht eine Rassismus-Amnesie“

50.000 Menschen gingen bei der „Black Lives Matter“-Demo im Juni in Wien auf die Straße.
50.000 Menschen gingen bei der „Black Lives Matter“-Demo im Juni in Wien auf die Straße.APA/AFP/JOE KLAMAR
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Die Wienerin Araba Evelyn Johnston-Arthur forscht in den USA zur Geschichte der Widerstände gegen Rassismus in Österreich. Sie sieht in den aktuellen Protesten Potenzial für gesellschaftliche Verbesserungen.

Die Presse: Die „Black Lives Matter“-Bewegung gibt es schon seit 2013. Was macht die Proteste jetzt zu etwas Besonderem?

Araba Evelyn Johnston-Arthur: Sie adressieren Anti-Schwarze-Rassismus auf vielen ineinander greifenden Ebenen – und die Pandemie macht die vorherrschenden systemischen Ungleichheiten und Missstände drastisch deutlich. Es geht eben nicht nur um Polizeigewalt, sondern auch um Diskriminierung im Gesundheitssystem, genauso wie um die Glorifizierung einer kolonialen und rassistischen Geschichte durch Denkmäler.

Auch in Europa wurde so manche Statue zu Fall gebracht. Als Reaktion wird häufig beklagt, dass durch das Entfernen der Denkmäler genauso wie durch die Umbenennung von Straßen lediglich die Erinnerung an die Geschichte ausgelöscht wird.

Wichtig ist, nicht zu vergessen, dass Anti-Schwarze-Rassismus trotz seiner globalen Dimension in den unterschiedlichen Ländern gleichzeitig seine nationalen Ausformungen hat. Auch in Österreich. Doch in Europa herrscht eine – in Anlehnung an Fatima El-Tayeb – Rassismus-Amnesie. Sie ermöglicht es, die Gegenwarten von Versklavung und Kolonisierung, die auch in die Idee Europas eingeschrieben sind, zu glorifizieren und Rassismus periodisch immer als neu zu entdecken. Dass sich der Kontinent, der die Rassentheorien hervorgebracht hat, als rassismusfrei versteht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Es geht also nicht darum, Geschichte auszulöschen, sondern – im Gegenteil – sich mit verdrängten Geschichten auseinanderzusetzen.

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