Europe´s Melting Glaciers: Zillertal Alps
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Idyllisch? Von wegen! Landleben – eine Warnung

Dorf ist das Land der begrenzten Möglichkeiten – warum wollen Sie als Stadtbewohner trotzdem raus ins Grüne? Seien Sie gewarnt: Das idyllische Landleben existiert nur noch in Ihrer Vorstellung.

A wengl kurz und a wengl lang, und a wengl a Bradl und a wengl a Drang
und a wengl umaruckn auf der Bank und nu a Bussl zum Dank.
A wengl eng und a wengl weit, und a wengl morgen und wengl heit
Besser gehen mas sofort an, dann ham ma a Freid.

Der Sommer kommt, der Sperling piept, man riecht den Duft der Blütenkelche. Junge Burschen sind in eine Maid verliebt, wissen nur noch nicht, in welche. Ob sie Geld haben, ist ganz gleich, denn sie macht die Liebe reich. Die Schwalben sind zurück aus Afrika, auch sieht man Störche hie und da. Man hört Quaken, Zirpen, Wiehern, Blöken, und die Sonne scheint auf weite Felder, Mädchen, die erröten. Menschen ruhen in sich selber, sind im Einklang mit der Natur. Das ist Dorfleben und pur. Holzscheite vor den Häusern, Hühnerställe, Bienenstöcke. Männer, die an Maschinen schrauben, und Marmelade einkochende Frauen, bloßfüßige Kinder mit aufgeschürften Knien und Gras im Haar. Es riecht nach Heu und Erde voll mit Regenwürmern, thronende Storchennester auf Kirchtürmen, und ob's morgen regnet oder nicht, ist wichtiger als alle Politik.

So weit, so gut, schade nur, dass es so etwas nicht mehr gibt. Dorfleben? Idylle? Die Welt hat sich verändert. Früher war es lässig, sich im Hosensack eine Zigarette zu drehen, heute ist es cool, im Hosensack ein SMS zu schreiben.

Der Lebensmittelpunkt auf dem Land ist schon lang nicht mehr die Kirche, sondern das Einkaufszentrum, wo es in Asien gefertigte Elektrogeräte und Billigkleidung aus dem Karton gibt. In Ermangelung anderer Freizeitaktivitäten rast die Jugend mit auffrisierten Mopeds, Motorrädern oder sonstigen Untersätzen die Landstraße auf und ab, so sie sich nicht mit Running Sushi oder amerikanischen Essensimitaten verköstigt. Auf den Feldern wird Genmais angebaut, und die letzten Viehbauern mussten einer großen Mastzucht weichen. Was früher einmal in jedem Garten gackerte, legt heute Eier im Akkord. Die Landschaft ist verhüttelt, und die meisten dieser überall hingepflanzten Fertigteilhäuser besitzen den Charme von Umspannwerken der Elektrizitätsbetriebe.

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