Literatur

Erst in Wien atmeten die Touristen wieder auf

Wien 1934
Wien 1934APA
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Virginia Woolf, Camus, Genet: Sie alle reisten in den Dreißigerjahren vom Dritten Reich nach Österreich und Italien weiter. Andere machte der Vergleich schon zuzeiten der Weimarer Republik euphorisch.

Wir müssen gestehen, das hören wir gern: So sehr der amerikanische Starautor Thomas Wolfe sein Reiseziel Deutschland im Sommer 1927 ins Herz geschlossen hatte – unter den Wienern fühlte er sich noch wohler: „Diese Menschen scheinen einer völlig anderen Zivilisation anzugehören als die Deutschen“, schrieb er nach einer knappen Woche Aufenthalt. „Dem hiesigen Leben wohnen eine Leichtigkeit [. . .] und ein Zauber inne, die so unteutonisch sind wie nur was.“

Dabei war dieser Wolfe kein Tourist mit rosa Reisebrille. Er wusste sehr wohl: „Drei Wochen vorher hat hier eine Revolte stattgefunden“, nach dem Brand des Justizpalastes, „bei der vierhundert Menschen ihr Leben verloren haben“ (tatsächlich waren es 94, schlimm genug). „Aber dem fröhlichen Leben sieht man das jetzt nicht mehr an“, stellte der Fremde verblüfft fest. War er Stereotypen verhaftet? Die Deutschen beschreibt Wolfe als kraftvoll, energisch und tiefsinnig, „aber es fehlt ihnen diese wienerische Empfindsamkeit und Weltläufigkeit“.

Wien sei ein „kleineres Paris“, aber die Herzlichkeit der Leute hier aufrichtiger: „Es fehlt ihnen die sehr böse gallische Härte.“ Franzosen-Bashing scheint damals Mode gewesen zu sein. John F. Kennedy notiert 1937 als rotzfrecher Student auf Europatrip, sie seien hygienisch nachlässig, ein „primitives Volk“ mit „kohligem Mundgeruch“.

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