Jubilar

Der Streitbare mit dem großen Herzen

ARCHIVBILD: GUNNAR PROKOP
ARCHIVBILD: GUNNAR PROKOPAPA/HELMUT FOHRINGER
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Gunnar Prokop feiert heute seinen 80. Geburtstag. Er polarisierte mit Erfolgen oder Kontroversen, liebt den Sport, hasst visionslose Funktionäre – und wird nie leiser.

Wenn man vom Peitschenknaller, Handball-Zampano oder der Autorität in der Südstadt sprach, wusste früher jeder, wer gemeint war. Gunnar Prokop, eine nimmermüde, große Persönlichkeit des Sports, der nichts mehr hasste als Bürokraten, visionslose Funktionäre oder unwillige Trainer. Und Talente, die es ablehnen, sich zu quälen, um besser zu werden.

Umstritten und streitbar, niemals einfach. Sport, das sei immer sein Leben gewesen, beteuert Prokop, der heute seinen 80. Geburtstag im Kreis der Familie und engster Freunde begehen wird. Ob als Turner, Leichtathletik-, Handball-Trainer oder Funktionär.

Die Psyche lenkt die Motorik. Das war stets der Leitspruch des auf Kritiker giftig wirkenden Experten. Wer mit ihm zusammenarbeitete, der musste letzten Endes einsehen, dass Prokops Methodik doch auch von Erfolg geprägt war. Er führte seine Frau Liese zu neuen Höhen in der Leichtathletik. Sie gewann bei Olympia 1968 in Mexico City Fünfkampf-Silber, wurde 1969 Europameisterin, stellte sogar zwei Weltrekorde auf. Ihre Schwägerin, Maria Sykora, führte Prokop 1969 in Athen zu EM-Bronze über 400 m. Über 800 m wurde sie 1970 in Wien Hallen-Europameisterin.

Er räumte Gegner und Hürden serienweise beiseite. Seine Kontroversen mit dem Handball-Verband sind filmreif, bleiben ob der verwendeten Begriffe jedoch weitgehend zensuriert. Prokop, von 1972 im Handball aktiv, war ja nie zimperlich. Er führte Österreichs Damen zu EM-Bronze 1996 und 2000 zu den Spielen in Sydney.

34 Meistertitel mit Hypos Damen (1977–2010), acht Champions-League-Siege, zwölf Europacup-Endspiele und diverse „Wickel“ samt schmerzhaftem Niederschlag in Skopje – all das bleibt unvergessen.

Aber auch Kehrseiten sind erinnerlich. 2009 streckte der Hypo-Manager eine Gegnerin zu Boden. Dieses unfassbare Foul bereut er wohl heute noch. Es läutete das Ende bei Hypo und den Zerfall der − dank zahlreicher Einbürgerungen gewachsenen − Handball-Dynastie in „seiner“ Südstadt (Leistungszentrum, Internatsleitung) ein. Prokop selbst sah seitdem nie wieder ein Hypo-Spiel.

Er fiel nicht nur im Sport auf, sondern auch abseits der Hallen. Frauenfeindliche Aussagen irritierten mitunter sogar engste Wegbegleiter. Er stand jedoch dazu.

Qualen, Training, Verlangen, Kompromisslosigkeit und echte, endlose Liebe zum Sport prägten Prokops Karriere, sein Leben. Jetzt quält er nur noch sich selbst, um tunlichst fit zu bleiben. 26 Mal habe er mit dem Rad den Glockner bezwungen, er geht spazieren. Selbst ein schwerer Skiunfall warf ihn 2017 nicht aus der Bahn. Wohin die Reise gehe? Weiter. Immer weiter. Mit 90 will er noch vom Glockner lachen. Und sich über die wundern, die ihr Talent in Faulheit vergeuden. (finne)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2020)

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