Italien

Die unsichtbaren Erntehelfer

Protest gegen die Bedingungen in Borgo Mezzanone nach dem Tod eines Arbeiters.
Protest gegen die Bedingungen in Borgo Mezzanone nach dem Tod eines Arbeiters.(c) imago images/Pacific Press Agenc
  • Drucken

Italiens Regierung feiert die Legalisierung Zehntausender illegaler Beschäftigter im Agrarsektor als großen Erfolg. Doch die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind katastrophal.

Wer die Unsichtbaren finden will, muss der Rauchsäule folgen. Pechschwarz schlängelt sie sich an diesem Junimorgen in den strahlend blauen, wolkenfreien Himmel, und markiert so den hoffnungslosesten Ort des Landes, vielleicht sogar ganz Europas: Das Ghetto von Borgo Mezzanone in der süditalienischen Region Apulien. Die größte illegale Siedlung Italiens. Von der Straße aus ist sie nicht zu erkennen, auf Google Maps nicht eingezeichnet, allein der Rauch von brennendem Abfall weist den Weg.

Bis 2004 war an dieser Stelle ein Flughafen, danach ist auf seinem Rollfeld aus Beton die Siedlung entstanden. Bis zu 1800 Menschen leben hier in Bretterhütten ohne fließendes Wasser, ohne Kanalisation, umgeben von einem Wall aus Müll. Sie sind Migranten, die meisten aus Subsahara-Afrika. Sie haben ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen. Einige flohen vor Bürgerkriegen oder politischer Verfolgung, andere vor einem Leben in Armut.

»Die Gesellschaft tut so, als würden die Erntehelfer im Ghetto nicht existieren.«



Doch ihre Hoffnungen wurden enttäuscht. Das Ghetto wird auch als „totes Gleis der Migration“ bezeichnet. Die Gesellschaft tut so, als würden diese Leute nicht existieren, als wäre ihr Leben unter der sengenden Sonne zwischen Schrott, Fäkalien, Armut und Gewalt ihre Privatsache. Doch Borgo Mezzanone existiert, weil die Migranten auf den Feldern in der Provinz Foggia Obst und Gemüse ernten, das anschließend in Supermärkten in ganz Europa verkauft wird. Meist arbeiten sie ohne Vertrag für die Hälfte des Tageslohns von 65 Euro, den die Gewerkschaften empfehlen. Die Existenz im rechtsfreien Raum hat ihnen in Italien den Spitznamen „gli invisibili“ – die Unsichtbaren – eingebracht.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.