„Ich plane jetzt bewusster“, sagt die Unternehmensberaterin Christine Seemann.
Corona

So lebt es sich als Unternehmer in der großen Krise

„Die Presse am Sonntag“ begleitet sechs Unternehmer durch die Coronakrise. Sie stehen für Tausende, deren Geschäft über Nacht weggebrochen ist. Nun geht es wieder aufwärts – doch die Zukunft ist ungewiss.

Christine Seemann hat ein Bild gefunden, das ihre Situation am besten beschreibt: „Ich lebe derzeit mit angezogener Handbremse“, sagt die Unternehmerin. Seemann ist Unternehmensberaterin, Supervisorin und Coach. Und eine von mehr als 300.000 Ein-Personen-Unternehmerinnen in Österreich. Vielen von ihnen brachen mit dem Shutdown die gesamten Aufträge weg – um danach nur langsam wieder zurückzukommen. Seemann beschreibt es so: Bei Einzelcoachings und Supervisionen sei sie schon wieder bei 80 Prozent ihres Geschäfts vor der Krise. „Aber die Seminare sind komplett weg. Und die machen ein Drittel meines Einkommens aus.“ Für September sind einige Veranstaltungen geplant. Doch es hängt alles daran, ob eine zweite Welle kommt und wenn ja, wie heftig sie wird. Weil: „Fortbildungen sind das Erste, das Unternehmen streichen.“

Ein paar Zahlen, die Seemanns Lage schildern: Acht bis zehn bezahlte Termine hat sie derzeit pro Woche – das sei gut. 1000 Euro hat sie aus dem ersten Härtefallfonds erhalten. Die wurden ihr dann von dem Betrag abgezogen, der ihr bis jetzt aus dem zweiten Härtefallfonds zugesprochen wurde: Daraus erhielt sie bisher 721,73 Euro. Kleinunternehmen bekommen drei Monate lang bis zu 2000 Euro monatlich. Plus einen „Comeback-Bonus“ von einmalig 500 Euro – auch den hat Seemann bekommen. Außerdem rechnet sie mit rund 3000 Euro Fixkostenzuschuss. Der Staat habe die Verantwortung, findet Seemann, auch auf die kleinen Unternehmer zu schauen. „Dieser Verantwortung ist er ganz gut nachgekommen. Diese Unterstützung war absolut wichtig für mich als Rückhalt.“ Das Geld braucht sie, um sich einen Polster aufzubauen, wenn Sozialversicherung und Finanz Steuern und Beiträge zurückfordern. Die wurden in der Krise gestundet.

Um über die Runden zu kommen, hat Seemann ihre Lebensversicherung aufgelöst. Und es kommt ihr jetzt zugute, dass sie auch privat niedrige Fixkosten und keine teuren Hobbys und Urlaube geplant hat. „Meine sozialen Aktivitäten abseits des Jobs bleiben eingeschränkt, ich meide große Menschenansammlungen.“ Beruflich und privat – Covid-19 habe ihren Zugang zum Leben verändert, sagt Seemann. „Ich plane jetzt bewusster. Und ich versuche, ein Leben zu führen, in dem Regionalität eine große Rolle spielt. Und das nicht nur bei der Ernährung.“

Optimistisch, aber unsicher. „Die Presse am Sonntag“ hat seit Ausbruch der Krise immer wieder mit Christine Seemann gesprochen. Richtig verzagt war sie nie. Auch jetzt nicht. Ihr Optimismus hat sie durch die Krise getragen und hilft ihr auch jetzt, wo es zwar nicht mehr dramatisch, aber eben auch noch nicht gut ist. Nach einem ersten Schock begann sie zu kalkulieren. Im Oktober steht der Kassasturz an. Dann wird sich zeigen, was sie die Krise gekostet hat. „Ich mache mir nicht wirklich große Sorgen. Diese Pandemie wird vorbeigehen. Aber es ist diese Unsicherheit, wie es weitergehen wird.“ Die Handbremse dürfte noch eine Weile angezogen bleiben.

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