Pizzicato

Die unheimlichen „sie“

APA/HARALD SCHNEIDER
  • Drucken

„Jössas, da bauen sie schon wieder", sagte Oma. Aber wer sind diese „sie"? Diese unbekannten Weltverändererer? Irgendwie unfasslich und gesichtslos, nicht? Und sollte man sie nicht gendern?

„Jössas, da bauen sie schon wieder", sagte Oma, als wir kürzlich auf einer Landstraße in NÖ fuhren und eine große Baustelle sahen, wo in den Weiten der grünen, ruhe- und freiheitsversprechenden Pampa wieder einmal eine jener Siedlungen mit Reihenhäusern wächst, die so absurd dicht beieinanderpicken, dass man eigentlich gleich in der urbanen Wohnkaserne bleiben kann.

„Sie". Hui, diese sie. Wer die wohl sind? Es sind immer sie, die etwas bauen; Unbekannte, die die Welt, wie man sie kennt, wie Demiurgen verändern. Es sind auch sie, die Lärm machen, sie, die Dreck gemacht haben, sie, die im Stau stehen, sie, die regieren, sie, die eh machen, was sie wollen.

Diese sie, das sind, nein, ist wie eine form- und gesichtslose, unfassliche, meist unsichtbare Masse oder Kraft, die mitunter fast bedrohlich wirkt, so ein waberndes, unheimliches Ding der dritten Art. Jedenfalls des Personalpronomens dritter Person Plural.

Lustig, dass jenes unheimliche sie gleich lautet wie die feminine Singularform. Unfair! Und all die Männlein und Neutra, die „er" und „es", die sind im Mehrzahl-sie aber eh mitgemeint, oder? Bloody unfair!

Also auf Baustellen etwa sind normal viel mehr er als sie. Müsste man da nicht jedenfalls die er in der Sprache sichtbarer machen? Etwa: „Da bauen er und sie schon wieder"? Oder „ersie bauen". Oder doch eine nette Passivkonstruktion: „Da wird wieder gebaut." Oder, schön aalglatt: „Da sind Bauende."

Nun ja: Da hätten sie wieder mal wieder was zu gendern.

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.