Gastkommentar

Was kommt nach der liberalen Weltordnung?

(c) Peter Kufner
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Es braucht für die vielen Herausforderungen regelbasierte globale Institutionen mit unterschiedlichen Mitgliedschaften.

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Zahlreiche Analytiker behaupten, mit dem Aufstieg Chinas und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sei die liberale internationale Ordnung zu Ende gegangen. Doch sollte Joe Biden im Falle eines Wahlsiegs im November versuchen, diese Ordnung wieder herzustellen? Das vielleicht nicht, aber er wird sie ersetzen müssen.

Kritiker weisen zu Recht darauf hin, dass die amerikanische Ordnung nach 1945 weder global noch besonders liberal war. Mehr als die Hälfte der Welt (der Ostblock und China) gehörte nicht dazu, dafür aber zahlreiche autoritäre Staaten. Amerikas Hegemonialanspruch wurde immer übertrieben. Aber das mächtigste Land musste bei der Schaffung globaler öffentlicher Güter die Führung übernehmen.

Ein realistisches Ziel einer möglichen Biden-Regierung sollte es sein, regelbasierte internationale Institutionen mit unterschiedlichen Mitgliedschaften für verschiedene Fragen zu schaffen. Würden China und Russland einer Teilnahme zustimmen? In den 1990er- und 2000er-Jahren konnte keines der beiden Länder ein Gegengewicht zur Macht der USA bilden, und die USA setzten sich in ihrem Streben nach liberalen Werten über die Souveränität von Staaten hinweg. Sie bombardierten Serbien und marschierten ohne Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates im Irak ein.

US-amerikanische Hybris

2005 unterstützten die USA außerdem eine Resolution der UN-Vollversammlung, in der eine „Schutzverantwortung“ gegenüber Bürgern festgelegt wurde, die von ihren eigenen Regierungen brutal behandelt werden. Dieser Doktrin bediente man sich auch 2011, um die Bombardierung Libyens zum Schutz der Bürger von Bengasi zu rechtfertigen.

Kritiker bewerten diese Bilanz als US-amerikanische Hybris nach dem Kalten Krieg. Russland und China etwa fühlten sich getäuscht, als die von der Nato geführte Intervention in Libyen zu einem Regimewechsel führte. Die Verteidiger dieser Vorgehensweise sehen sie jedoch als natürliche Entwicklung des humanitären Völkerrechts. In jedem Fall hat die zunehmende Macht Chinas und Russlands dem liberalen Interventionismus engere Grenzen gesetzt.

Was bleibt also? Russland und China betonen den in der UN-Charta festgelegten Souveränitätsgrundsatz, der festlegt, dass Staaten nur zur Selbstverteidigung oder mit Zustimmung des Sicherheitsrats einen Krieg beginnen dürfen. Die gewaltsame Einnahme des Territoriums eines Nachbarstaats ist seit 1945 selten vorgekommen – und wenn, hat dies zu kostspieligen Sanktionen geführt (wie bei der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014).

Hinzu kommt, dass der Sicherheitsrat oftmals die Entsendung von friedenserhaltenden Truppen in unruhige Länder genehmigte und man mit politischer Zusammenarbeit die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ballistischen Raketen begrenzen konnte. Diese Dimension einer regelbasierten Ordnung bleibt von entscheidender Bedeutung.

Hinsichtlich der Wirtschaftsbeziehungen müssen die Regeln überarbeitet werden. Schon lang vor der Pandemie untermauerte Chinas hybrider Staatskapitalismus ein unfaires merkantilistisches Modell, das die Funktion der Welthandelsorganisation verzerrte. Das Ergebnis wird eine Entkoppelung der globalen Lieferketten sein, vor allem dort, wo die nationale Sicherheit auf dem Spiel steht.

Obwohl China sich beschwert, wenn die USA Unternehmen wie Huawei daran hindern, 5G-Telekommunikationsnetze im Westen aufzubauen, ist diese Position mit dem Grundsatz der Souveränität vereinbar. Schließlich hindert auch China Google, Facebook und Twitter aus Sicherheitsgründen daran, in China zu operieren.

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