Styriarte

So seift man in der Steiermark Beethoven ein

Andrés Orozco-Estrada (Archivbild).
Andrés Orozco-Estrada (Archivbild).(c) APA/ROBERT JAEGER
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Im Zyklus „SOAP“ bietet das Festival Meisterwerke in Kurzkonzerten gleich sechs Mal innerhalb von 48 Stunden an. Der künftige Symphoniker-Chef Andrés Orozco-Estrada dirigierte das erweiterte „Recreation“-Orchester und erklärte die „Pastorale“ zwischen den Sätzen.

„Wie wär's mit einer schönen, kleinen Überlandpartie“, trällerte der legendäre Hermann Leopoldi einst verführerisch. Ähnliches dachten vielleicht auch die Grazer Programmerfinder, um aus dem Festivalmotto „Geschenke der Nacht“ auszuscheren. Styriarte verfügt dafür über ein Format namens SOAP, das zwar etwas hemdsärmelig daherkommt, aber beste Publikumsfrequenzen garantiert.

Der in seiner Sensibilität oft verkannte Ludwig von Beethoven wollte in seiner Sechsten Symphonie weder die Natur „beschreiben“ noch sie abmalen, sondern die Empfindungen der Menschen ansprechen. Es handelt sich um intime Selbstgespräche, alles andere als Tratschereien oder Abbilder in Kodacolor. Das keusch erscheinende F-Dur bewahrt außerdem vor Abrutschen in Kitsch. Allerhöchste Ansprüche sind daher an die interpretierenden Musiker gestellt: Die „Pastorale“ ist somit auch das Maß aller Dinge für Dirigenten, sie ist nichts für Tempobolzer oder Oberflächenpolierer.

Andrés Orozco-Estrada, der quirlige Kolumbianer mit Wiener Wohnsitz, lässt nichts anbrennen. In flüssigem Kommunikationston laufen hübsche Momente flott ab – die Summe ergibt quasi eine „runde Geschichte“ ohne Tief- und ohne Höhepunkte. In kleineren Räumen weiß er auch die Melodiebögen zu spannen, die mitkomponierten Ritardandi sind ja unschwer zu erkennen. Der Jargon der kontemplativen Sätze („Ankunft auf dem Lande“, „Szene am Bach“ sowie das innige Finale) kommt ohne Schattierungen und Differenzierungen aus, während Tanz- und Gewitter-Szenen einem Höllentempo ausgesetzt werden.

Daniel Barenboim erzählt mit Vorliebe diese Geschichte (oder Anekdote): Der junge Sergiu Celibidache stellte einst Wilhelm Furtwängler die Frage nach dem richtigen Tempo schlechthin – dessen lakonische Antwort: „Je nachdem, wie es klingt.“ In der Grazer Helmut List Halle klang die „Pastorale“ verdächtig biofein-und-sauber, als wären Veganer am Werk gewesen. Nun ist es durchaus nicht unangenehm, wenn einmal kein wienerisches Vibrato-Schmalz dabei ist, aber etwas fleischig dürfte der Klang schon sein. Das „Styriarte Festspiel-Orchester“ (die „Recreation“-Truppe mit internationalen Gästen), gestimmt auf 430 Hertz und klein besetzt (sieben erste Violinen), agierte auf historischen Instrumenten diszipliniert.

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