Analyse

Austria: Nur noch 90 Minuten

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Austria steht nach dem 2:3 im Europacup-Playoff gegen Hartberg endgültig mit dem Rücken zur Wand. Finanzprobleme, spielerische Mängel, Leerläufe: Ohne Erfolg droht der Kollaps.

Wien. Womit am Verteilerkreis keiner rechnen wollte, könnte am Mittwoch doch traurige Wirklichkeit werden: Austria droht nach dem 2:3 im Playoff-Heimspiel um das Europacup-Ticket gegen Hartberg den Kürzeren zu ziehen – und wieder leer auszugehen. Es wäre mehr als nur ein Albtraum. Denn die Violetten brauchen dringend neue Bewerbe, Impulse und vor allem Einnahmen, um die quälende Schuldenlast zu lindern.

Ohne Europacup-Start bleiben weitere zwei, drei Millionen Euro allein an Uefa-Prämien aus. Parallel dazu dürfte sich die laufende Suche des Vorstandsvorsitzenden Markus Kraetschmer nach einem Partner respektive Investor, der 49,9 Prozent der AG – für kolportiert zehn Millionen Euro Kaufpreis – übernehmen könnte, noch schwieriger gestalten.

Warum? Die wichtige Bühne im europäischen Live-TV fällt weg. Auch blieben ihm, so er tatsächlich aus dem Fußballsektor kommt – zuletzt fiel im „Falter“ der Name Brentford FC, ein Klub aus Englands Championship –, nur Cup und Bundesliga als Auslaufzone für eigene Spieler, die in Österreich womöglich „geparkt“ und letzten Endes bei anderen Klubs für entsprechend hohe Ablösen weiterempfohlen werden sollten. Ebenso wären Austrias Spieler für potenzielle Interessenten weniger anzupreisen, ihr Marktwert folglich weiter im Sinkflug.

»"Die Spieler wissen, dass wir 2020 noch kein Auswärtsspiel verloren haben. Ich vertraue ihnen"«

Markus Kraetschmer, AG-Vorstand Austria



Am Mittwoch in Hartberg nicht mit zwei Toren Unterschied zu gewinnen, wäre für Austria also folgenschwer. Die durch Verzögerungen im Bau bzw. Umwidmungen des „Viola Parks“ entstandene Finanzmisere (rund um 160 Mietwohnungen) soll sich auf über 60 Millionen Euro belaufen. Um Rückzahlungen und Tilgungen zu bedienen, wurden „Überbrückungskredite“ aufgenommen – dorthin floss viel Geld, das der Profi-Mannschaft und Trainer Christian Ilzer hätte helfen können. Dass die Corona-Unterbrechung den Verein zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt erwischte, bedarf keiner weiteren Erklärung. Mehrere Millionen Euro gingen in dieser Saison verloren.

Während die Ausgangslage zur „Halbzeit“ für Hartberg – schon in der zweiten Bundesliga-Saison träumt der steirische Klub vom historischen Debüt in der Europa League – verheißungsvoll scheint, leckt Austria wieder Wunden. Zwei Tore mehr, eine massive Leistungssteigerung also, sind nötig. Ein heikles Unterfangen, allerdings sprechen in diesem Fall die Zahlen für Violett: Nur einmal in den vergangenen 20 Spielen stand beim Überraschungsteam der Saison hinten die Null. Und darauf legt Kraetschmer gesondert Wert und setzt Hoffnung: „Die Spieler wissen, dass wir 2020 noch kein Auswärtsspiel verloren haben. Ich habe großes Vertrauen in die Mannschaft und das Trainerteam.“

„Attacke, volles Risiko!“

Ilzer muss also endgültig die richtige Mischung finden aus treffsicherer Offensive und eiserner Abwehr, die Hartbergs Offensive mit Tadic (vergab zwei Topchancen, traf aber zwei Mal) und Rep neutralisieren kann. Ilzer ist sich der Lage bewusst, es geht wohl auch um seinen Job. Dieses Spiel ist wegweisend, für ihn, Spieler, Sport-Vorstand Peter Stöger, Krae-tschmer, den ganzen Klub. „Es ist ein Endspiel, und ich bin ein Trainer, der dann auch volles Risiko geht“, sagt er. „Es gilt: Volle Attacke in Hartberg.“ Und wenn sie in den finalen 90 Minuten dieser Saison doch misslingt? Dann ist beim 24-fachen Meister (zuletzt 2013) endgültig Feuer am Dach. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2020)

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