Pandemie

Amerikas unmoralisches Experiment

„Ich war nie gegen Masken“, sagt US-Präsident Trump.
„Ich war nie gegen Masken“, sagt US-Präsident Trump.(c) imago images/ZUMA Wire
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Die USA akzeptieren Hunderttausende Infizierte, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Doch dem Aufschwung droht das Ende, wenn das Land nicht lernt, die Maske zu lieben.

Wien. Es ist ein Bild mit Seltenheitswert: US-Präsident Donald Trump beim Besuch des Walter-Reed-Militärkrankenhauses, das Gesicht hinter einem blauen Mund-Nasen-Schutz verborgen. Bisher verzichtete der Republikaner weitgehend auf das Tragen einer Schutzmaske – sowie auf jede andere klare Strategie, wie die Ausbreitung der Seuche einzudämmen sei. Mit 66.627 Neuinfektionen an einem Tag verzeichnete das Land zuletzt die höchste Neuansteckungsrate seit Ausbruch der Coronapandemie. Kalkuliertes Risiko, zum Wohl der Volkswirtschaft. Doch nun droht auch der erhoffte Aufschwung in sich zusammenzubrechen.

Es ist ein „riesiges unmoralisches Experiment, das da in Amerika läuft“, sagte Wifo-Chef Christoph Badelt am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Ein Experiment, das Europa (rein wirtschaftlich betrachtet) allerdings nützen könne. Denn die Konjunktur in Europa hänge immer noch stark vom Zustand der amerikanischen Wirtschaft ab. „Wenn es in den USA eine totale Wirtschaftskrise gibt, könnte das der Nukleus einer echten Weltwirtschaftskrise werden“, warnte der Wifo-Chef.

Wirtschaft will nicht „rocken“

Derzeit aber ist es schon fraglich, ob das amerikanische Experiment überhaupt glückt. Noch im März versprach Jared Kushner, Trump-Schwiegersohn und -Chefberater, dass die amerikanische Wirtschaft im Juli wieder „rocken“ werde. Doch nach zwei guten Monaten deuten die jüngsten Daten allesamt darauf hin, dass die Erholung stark an Schwung verliert und bald gänzlich zu Ende sein könnte.

Das liegt nicht zuletzt an den steigenden Fallzahlen in Arizona, Kalifornien, Florida, Georgia und Texas. Angesichts Hunderttausender Erkrankter hätten 70 Prozent der Bundesstaaten bereits neue Restriktionen für die Wirtschaft erlassen oder die Wiederöffnung ausgesetzt, so die Analysten von Goldman Sachs. Dass viele Amerikaner den Mund-Nasen-Schutz ebenso ablehnen wie ihr Staatsoberhaupt, erleichtert die Sache nicht. Das Wachstum würde höher ausfallen, wenn alle Masken trügen, mahnte zuletzt sogar die regionale Notenbank in Dallas. Der republikanische Gouverneur von Texas, Greg Abbott, führte mit Anfang Juli die Maskenpflicht in seinem Bundesstaat, einem Corona-Hotspot, ein. Nur damit habe man verhindern können, „die Wirtschaft erneut zuzusperren“, erklärte er. Nach Schätzungen von Goldman Sachs könnte eine bundesweite Verpflichtung, Masken zu tragen, fünf Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung retten. Auf fünf Prozent mehr Wachstum kann das Land nicht verzichten. Denn die Hoffnung, nach dem tiefen Sturz im März einen kometenhaften Aufstieg hinzulegen, erfüllt sich nicht.

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