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China

Ein Gesetz verändert Hongkong

Das in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Pekings ausgeheckte nationale Sicherheitsgesetz wird Hongkong nachhaltig verändern – von der Protestkultur über die Wirtschaft bis zum Bildungssystem.

Hongkong/Peking. Übers Wochenende lud die prodemokratische Bewegung die Bürger Hongkongs zur Urne. Sie kamen schließlich in größerer Zahl, als es die Veranstalter erwartet hatten: Eine halbe Million Menschen stimmten bis Sonntag in einer Vorwahl über die Kandidaten aus dem pekingkritischen Lager ab, die bei der Parlamentswahl im September antreten sollen.

Politisch stand bei der Vorwahl zwar wenig auf dem Spiel, zumal viele der Kandidaten in den nächsten Wochen und Monaten von den Behörden aufgrund vermeintlicher Verstöße gegen die Verfassung „disqualifiziert“ werden könnten. Doch symbolisch ist der Urnengang weniger als zwei Wochen nach Einführung des umstrittenen nationalen Sicherheitsgesetzes umso aufgeladener.

Verschärfte Strafverfolgung

Bereits jetzt ist klar: Das von Peking vorbei an der Hongkonger Legislative diktierte Dekret ist weit mehr als nur ein abstraktes Damoklesschwert, das die kommunistische Partei über den Köpfen der Protestbewegung in der Finanzmetropole kreisen lässt. Schließlich hat sich nicht nur das gesellschaftliche Klima konkret verändert, sondern auch das Stadtbild: Vergangene Woche nahmen chinesische Sicherheitsagenten ein Wolkenkratzerhotel in der Innenstadt in Beschlag, um in Reichweite des ikonischen Victoria Park ihre neue Behörde für Staatssicherheit einzurichten.

Vor allem bei der Strafverfolgung weht künftig ein anderer Wind: Pekinger Sicherheitskräfte können nämlich bei Bedarf auf Hongkonger Boden selbst Razzien und Festnahmen durchführen, ohne jedoch an die lokalen Gesetze gebunden zu sein. Verhaftete dürfen erstmals nach Festlandchina ausgeliefert und von den dortigen Gerichten auch verurteilt werden. Was dies bedeutet, prangert die Zivilgesellschaft Hongkongs seit jeher an: mangelnde Rechtsstaatlichkeit, intransparente Beweisführung, Scheinprozesse ohne faire Verteidigungsmöglichkeiten.

Insgesamt umfasst das Gesetz vier vage formulierte Straftaten: Separatismus, Staatsgefährdung, Terrorismus und geheime Absprachen mit dem Ausland. Dabei gilt es nicht nur für Hongkonger, sondern praktisch jeden Bürger weltweit, ganz gleich, wo die Straftat begangen wurde. Wenn etwa ein Aktivist aus den Vereinigten Staaten in einem Facebook-Post die Unabhängigkeit Hongkongs fordert, könnte er bei seiner nächsten Einreise in die Sonderverwaltungszone festgenommen werden.

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