Stichwahl

Das tief gespaltene Polen wählt

Eine Wählerin verlässt das  Wahllokal in Stulno im Osten Polens. Die ländlichen Regionen und Ostpolen sind traditionelle Hochburgen der nationalkonservativen PiS.
Eine Wählerin verlässt das Wahllokal in Stulno im Osten Polens. Die ländlichen Regionen und Ostpolen sind traditionelle Hochburgen der nationalkonservativen PiS. (c) APA/AFP/WOJTEK RADWANSKI
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Die Präsidentenwahl am Sonntag zeigt erneut, wie groß die Kluft zwischen dem ländlichen und dem urbanen Polen ist. Entsprechend klar war der Urnengang eine Richtungswahl.

„Man könnte wohl von einem Bürgererwachen sprechen“, sagte zufrieden Artur Nowakowski, der Leiter der Wahlkommission im Warschauer Wahllokal Nr. 402 mit Blick auf das große Wählerinteresse, aber auch mit Blick auf seine Wahlkommission. Dort sind die meisten Mitglieder zum ersten Mal dabei, jung und noch wenig erfahren. Umso genauer halten sie die Regeln ein. Dafür sorgt auch ein lokaler Wahlbeobachter.

Der auf Regierungsseite sehr polarisierend geführte Wahlkampf hat in Polen eine große Mobilisierung ausgelöst. Seit 1990 war die Wahlbeteiligung in der ersten Runde nie mehr so hoch, auch bei der Stichwahl wurde bis 12 Uhr mittags landesweit mit gut 25 Prozent ein neuer Rekord erreicht. Dabei half bestimmt das bis zuletzt völlig offene Rennen zwischen dem von der PiS-Regierung unterstützten Amtsinhaber, Andrzej Duda, und dem liberalen Oppositionspolitiker Rafał Trzaskowski.

Die letzten Umfragen waren auf ein völlig offenes Kopf-an-Kopf-Rennen hinausgelaufen. In keiner Umfrage konnte einer der beiden Kandidaten einen Vorsprung höher als die statistische Unschärfe von drei Prozent erreichen.

Vor dem Wahllokal Nummer 402 im Warschauer Stadtteil Praga auf der ärmeren Ostseite der Weichsel wollen viele nicht über ihre persönliche Wahl sprechen. „Ich gebe keine Interviews, schon gar nicht der Auslandpresse“, meint ein Mittdreißiger mit einem großen Hund. „Ich habe für Trzaskowski gestimmt, weil ich gegen die Verschleuderung von Sozialgeldern durch die Regierung bin und keine Steuererhöhungen will“, sagt dagegen Rafał, ein junger Informatiker.

Warschau gehört Trzaskowski

„Ich bewundere Trzaskowski, er ist klug, intelligent und empfindsam, so wie mein Ehemann“, sagt Dorota. „Trzaskowskis Weg führt uns nach Europa, das gefällt mir“, fügt die 60-Jährige hinzu. „Auf dass bloß nicht dieser Schwule gewinnt!“, zischt eine Duda-Anhängerin dazwischen. Ende der Diskussion, niemand will sich den sonnigen Sonntag verderben lassen.

In Warschau würde dennoch Trzaskowski gewinnen, so viel war klar. Doch auch bei der Stichwahl zeigte sich erneut das starke Stadt-Land-Gefälle in Polen. Im Dorf hätte Amtsinhaber Duda bereits in der ersten Runde gewonnen, wenn auch nicht mit den gut 60 Prozent, die ihm die Umfragen noch Anfang Mai mitten in der Coronakrise prophezeit hatten.

Auch in den Kleinstädten bis 50.000 Einwohner lag Duda vor zwei Wochen vor Trzaskowski. Doch die 850 Städtchen haben sich nicht mehr so klar für den PiS-Kandidaten entschieden. Trzaskowskis Rückstand lag nur etwas über fünf Prozent, und auch der unabhängige linksliberale Holownia hatte dort mit rund 15 Prozent gut abgeschnitten. In den 96 größeren Städten siegte der liberale Traskowski klar.

Dabei spielt dem liberalen Herausforderer soziologisch gesehen eine gewisse Entwurzelung in die Hände. Einerseits stimmen vor allem Polen für ihn, die oder deren unmittelbare Vorfahren ihre traditionelle Dorfgemeinschaft gegen die Stadt getauscht haben; oder aber jene Gegenden wie das ehemals deutsche Pommern und das Lebuser Land, in denen 1945/46 ein vollständiger Bevölkerungsaustausch stattgefunden hatte.

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