Die kürzlich via Wikileaks veröffentlichten Geheimakten über den Afghanistan-Einsatz werfen neue militärische und juristische Fragen auf. Die Spezialeinheit Task Force 373 steht im Verdacht Kriegsverbrechen begangen zu haben.
Die Veröffentlichung von US-Militärakten durch die Internet-Plattform Wikileaks hat in den USA eine Debatte über mögliche Kriegsverbrechen der eigenen Armee in Afghanistan ausgelöst. Anlass sind vor allem jene Dokumente, die die Spezialeinheit namens Task Force (TF) 373 betreffen. Dieses Geheimkommando macht in Afghanistan gezielt Jagd auf mutmaßliche Taliban und andere Aufständische. Unter den mehr als 91.000 von Wikileaks veröffentlichten Unterlagen sind allein rund 200, die Vorfälle dokumentieren, bei denen TF 373 involviert war.
Missverständnis oder gezielte Tötung?
Ein Zwischenfall ereignete sich demnach im Juni 2007, als sich die Soldaten auf der Suche nach dem Taliban-Kommandeur Kari Ur-Rahman befand. Während eines nächtlichen Feuergefechts mit Aufständischen forderte die Einheit Luftunterstützung an. Kurz darauf mussten die amerikanischen Militärangehörigen feststellen, dass sich unter den Toten sieben afghanische Soldaten befanden; vier afghanische Polizisten waren verwundet worden. Der Vorfall wurde als Missverständnis deklariert, bedingt durch Probleme, gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften nächtliche Einsätze durchzuführen.
Bei einem anderen Einsatz wurden sechs Aufständische und sieben Kinder getötet, als die Einheit einige Gebäude bombardieren ließ, in denen ein al-Qaida-Kommandeur vermutet wurde. Hinterher stellte sich heraus, dass der Gesuchte sich nicht unter den Toten befand.
Amnesty International zurückhaltend
Während Wikileaks-Gründer Julian Assange sagt, er glaube, dass es unter den US-Angriffen "Tausende" gebe, die möglicherweise von einem Gericht als Kriegsverbrechen bewertet werden könnten, wollen in solchen Fragen erfahrene Menschenrechtler nicht so weit gehen. "Ich glaube nicht, dass dieser Vorfall mit einem Kriegsverbrechen gleichzusetzen ist, aber es beunruhigt mich außerordentlich, dass sieben Kinder getötet wurden", sagt Tom Parker, der für Politik zuständige Direktor bei Amnesty International USA.
Der Afghanistan-Krieg mit seinen Trefferlisten gesuchter Terroristen, Kämpfen gegen Aufständischen und seiner hochtechnologisierten Ausrüstung wirft schwierige Fragen auf. "Es ist wirklich schwer zu wissen, wo Mord endet und Krieg beginnt", sagt Parker. Gezielte Militärschläge seien am Rande der erlaubten militärischen Praxis in einem bewaffneten Konflikt. Die Technologie werfe Fragen auf, die sich vor zwanzig Jahren noch nicht stellten. "Auf eine Menge dieser Fragen gibt es keine Antworten."
Der demokratische Kongressabgeordnete Adam Smith hält die "Verurteilung unserer Soldaten für falsch und mehr als unfair". Der Kongress und die Streitkräfte hätten zivile Opfer als ein Problem erkannt, das gelöst werden müsste.
An gezielten Festnahmen und Tötungen von feindlichen Anführern kann Juan Zarate nichts Falsches finden. "Das ist genau das, was Länder tun, die sich im Krieg befinden", sagt der frühere Terrorabwehrexperte der unter der Bush-Regierung.
(APA)