Sachverhaltsdarstellung

Türkis vs. Blau: "Markus Braun ist kein ÖVP-Mann"

Die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz
Die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz APA/HELMUT FOHRINGER
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Die ÖVP weist die Vorwürfe der FPÖ in der Wirecard-Affäre zurück und beruft den Sicherheitsrat ein, um etwaige freiheitliche Verstrickungen zu beleuchten.

FPÖ und ÖVP sind bemüht, die im Zuge der Wirecard-Affäre aufgekommenen Verdächtigungen zurückzuweisen respektive sie dem jeweils anderen zuzuschieben. So rückte am Montag die türkise Vizegeneralsekretärin Gaby Schwarz die freiheitlichen Verstrickungen in die Causa ins Zentrum und will das auch im Nationalen Sicherheitsrat besprechen. Eine besondere ÖVP-Nähe des früheren Wirecard-Chefs Markus Braun wies Schwarz von sich. Nur eine halbe Stunde zuvor, war der Freiheitliche Christian Hafenecker den genau gegenteiligen Weg gegangen und hatte die „Fäden zwischen ÖVP und Wirecard“ betont.

Fest steht: Braun hatte die Volkspartei im Wahlkampf 2017 mit 70.000 Euro unterstützt, trat gemeinsam mit Sebastian Kurz auf und wurde nach dessen Einzug ins Kanzleramt Mitglied des dort eingerichteten "Think Tanks" des ÖVP-Chefs.

Schwarz betonte nun, "dass Markus Braun kein ÖVP-Mann ist, sondern sich auch mit vielen anderen Menschen vernetzt hat". So habe Braun auch den Neos 125.000 Euro gespendet und sei auch bei Veranstaltungen der Gattin des früheren SPÖ-Kanzlers Christian Kern aufgetreten. Welche Verbindungen Brauns Kollege im Wirecard-Vorstand, Jan Marsalek, in der Zeit der türkis-blauen Regierung zu FPÖ-geführten Ministerien hatte, will Schwarz im "Nationalen Sicherheitsrat" besprechen.  Die ÖVP habe das Gremium bereits einberufen. Es muss nun binnen zwei Wochen tagen.

SPÖ empört sich über "Kindsweglegung"

Die SPÖ zeigte sich am Montag empört über die "Kindsweglegung" der ÖVP bei Ex-Wirecard-Chef Braun. Zu meinen, der Großspender und Berater von Kurz sei kein ÖVP-Mann, sei "lachthaft", sagte Geschäftsführer Christian Deutsch. Er sieht ÖVP und FPÖ gleichermaßen involviert: "Gibt es eigentlich überhaupt noch einen Skandal, an dem die schwarz-blaue Ibiza-Koalition nicht beteiligt ist?"

Das Verteidigungsministerium hat unterdessen einen Bericht der "Financial Times" über ein angebliches Libyen-Projekt des untergetauchten Wirecard-Managers Marsalek in Libyen teilweise bestätigt. Wie ein Sprecher sagte, gab es 2017 eine Anfrage eines "deutschen Expertenteams" bezüglich eines Wiederaufbauprojekts an das Ministerium. Die Gespräche zwischen dem Ressort und der deutschen Expertengruppe haben demnach bereits 2017 begonnen und sich bis 2018 gezogen. Sie mündeten in eine "Absichtserklärung" des Ministeriums, sich zu beteiligen. Unklar blieb vorerst, ob es auch eine finanzielle Unterstützungszusage gab.

Umgesetzt wurde das Projekt nach Angaben des Verteidigungsressorts nicht: "Weiteres Interesse des deutschen Expertenteams hat es nicht gegeben und es hat auch keinerlei finanzielle Zuwendungen gegeben." Geführt wurden die Gespräche von der Direktion für Sicherheitspolitik. Einer der führenden Mitarbeiter dieser Direktion sitzt im Präsidium der "Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft", in der auch Marsalek vernetzt war.

Dem Bericht der "Financial Times" zufolge sah Marsalek das Wiederaufbauprojekt allerdings lediglich als Vorwand für die von ihm eigentlich geplante Errichtung einer Miliz zur Überwachung der libyschen Südgrenze. Außerdem soll Marsalek an einer Zementfabrik beteiligt gewesen sein, auf der 2017 russische Söldner stationiert waren. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Auf einen Blick

Recherchen der „Presse“ haben ergeben, dass der untergetauchte Wirecard-Vorstand Jan Marsalek immer wieder über den Mittelsmann Florian S. vertrauliche Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) und dem Innenministerium an die FPÖ weitergegeben haben soll. Dies schürte Misstrauen zwischen ÖVP und FPÖ und gipfelte in zahlreichen Ermittlungen wie auch im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur gleichnamigen BVT-Affäre. Die Verbindung von Marsalek zur FPÖ gilt als Zufallsfund der Ermittler in der laufenden Causa Ibiza. Konkret sollen am Handy von Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus entsprechende Nachrichten aufgetaucht sein.

Wirecard musste indes ein Finanzloch eingestehen und Insolvenz anmelden. Während sich Vorstandschef Braun (er gilt als Vertrauter von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, saß in dessen Denkfabrik Think Austria, die von Antonella Mei-Pochtler geleitet wird) den Behörden stellte und gegen Kaution auf freiem Fuß ist, tauchte Marsalek unter. Letzterem wird u.a. Betrug und Bilanzfälschung vorgeworfen, ein internationaler Haftbefehl liegt vor.

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(Red./APA)

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