Aufreger

Die deutsche Polizei und die Rassismusfrage

Polizisten in Stuttgart
Polizisten in Stuttgart(c) imago images/Eibner (Eibner/DROFITSCH via www.imago-images.de)
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Die Polizei erfragt nach den Krawallen in Stuttgart beim Standesamt die Herkunft von Verdächtigen. Ist das schon Rassismus?Der Fall heizt die Debatte weiter an, in der es um Diskriminierung geht, aber auch um Gewalt gegen Polizisten.

Berlin. Die Polizei betreibt nach der Stuttgarter Krawallnacht „Stammbaumrecherchen“ und nennt das auch so. Diese Behauptung geisterte durch deutsche Medien. Inzwischen steht fest: Die Stammbaum-Formulierung wurde von der Polizei nicht verwendet. Sie schickt aber Anfragen an Standesämter, um die Nationalität der Elternteile von Verdächtigen zu erfahren. Die Polizei will damit die Frage nach dem Migrationshintergrund jener Männer klären, die im Juni in der schwäbischen Stadt randaliert hatten. Zumindest das Ende des „Stammbaums“ wird also schon ausgeleuchtet.
Ist das noch Ermittlungsarbeit oder schon Rassismus? Der Streit darüber fügt sich in einen kleinen Kulturkampf, der um die deutsche Polizei entbrannt ist. SPD-Chefin Saskia Esken hatte den Konflikt angefacht und „latenten Rassismus“ in den Reihen der Sicherheitskräfte unterstellt. Eine „taz“-Kolumnistin verglich Polizisten dann implizit mit Müll, was Innenminister Horst Seehofer (CSU) beinahe zur Anzeige gebracht hätte.

Berlins umstrittenes Gesetz

Und zwischendurch hat Berlin ein Antidiskriminierungsgesetz erlassen, das die Stadt einen „Meilenstein“ nennt und Seehofer „Wahnsinn“. Das Gesetz soll Zivilklagen ermöglichen, wenn sich Menschen von Beamten diskriminiert fühlen. Es sieht dazu eine „Beweiserleichterung“ für Diskriminierte vor, in der Kritiker aber eine „Beweisumkehr“ wähnen, dass also Polizisten künftig nachweisen müssen, sie hätten nicht diskriminiert. Der Berliner Senat weist diese Auslegung strikt zurück. Seehofer wähnte die Polizei trotzdem unter Generalverdacht und drohte, Bundeskräfte nicht mehr in die Hauptstadt zu entsenden. Berlin musste versichern, dass das Gesetz nur für Stadtpolizisten gilt (gegen die im Vorjahr 14 Beschwerden wegen Diskriminierung aktenkundig wurden – bei 75.000 Einsätzen). Polizeigewerkschafter fürchten, dass leichtfertige Rassismusvorwürfe die Autorität der Polizei untergraben und Ereignisse wie jene in Stuttgart befördern.

Bilder bezeugen eine Krawallnacht im Juni, in der Männer nicht nur gegen Geschäftsauslagen traten, sondern auch gegen Polizisten. 39 Verdächtige wurden ausgeforscht, darunter 24 Deutsche, von denen elf nachweislich Migrationshintergrund hatten, in weiteren elf Fällen soll das Standesamt helfen, die Herkunftsfrage zu klären. Das löste wie die angebliche Formulierung „Stammbaumrecherchen“ einen Aufschrei aus. Die Linkspartei sprach von Rassismus, die Abfragen seien „unnötig“ und „diskriminierend“. SPD-Chefin Esken zeigte sich „nachhaltig verstört“. Grünen-Chef Robert Habeck warnte: „Schon der Verdacht, dass die Polizei Menschen nach Herkunft oder Aussehen unterschiedlich behandelt, schadet ihrem Ansehen.“ Und der Landesdatenschutzbeauftragte hat Zweifel, dass die Abfragen rechtens sind.

Stuttgarts Polizei verteidigt sich. In der Präventionsarbeit seien „maßgeschneiderte Konzepte“ nötig, die „persönliche Lebensumstände, wie auch einen potenziellen Migrationshintergrund“ berücksichtigen. Die Landes-CDU sieht das ähnlich. Und auch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann drängte auf Auskünfte über die Sozialisation der Stuttgarter Krawallmacher. Er wolle wissen, ob es sich um „bestimmte Milieus“ handelt, die etwa „aus Migranten-Communitys oder so kommen“.

Keine Studie zu Racial Profiling

Niedersachsens Innenminister, Boris Pistorius (SPD), verglich das Vorgehen dagegen mit Racial Profiling, also der Kontrolle von Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale wie der Hautfarbe. Eigentlich war eine Studie zum Thema Racial Profiling in der Polizei erwartet worden. Aber Seehofer winkte nun ab. Dass das Thema nicht untersucht wird, gefällt vielen in der CDU, aber Norbert Röttgen, Kandidat für den CDU-Chefposten, bedauert es. Die Studie hätte in jedem Fall geholfen, meint er: Weil sie entweder Handlungsbedarf aufgezeigt oder das Vertrauen in die Polizei gestärkt hätte.

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