Morgenglosse

Die Hagia Sophia, die niemand wollte

Hagia Sophia
Hagia Sophia(c) Reuters
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Notre-Dame brennt? Wir bauen sie noch schöner wieder auf, meinte Emmanuel Macron trotzig. Ähnlich reagierte einst Justinian. Und Erdogan?

Notre-Dame brennt? Wir bauen sie noch schöner wieder auf, verkündete Emmanuel Macron trotzig. Als bei einem Aufstand gegen Kaiser Justinian die Vorgängerkirche der Hagia Sophia in Flammen aufging, reagierte Justinian ähnlich: Ätsch, da kommt jetzt was viel, viel Tolleres hin! Die Hagia Sophia wurde Symbol der Macht von Byzanz.

Erdogan erinnert uns wieder daran, wie prächtig die Hagia Sophia als Werkzeug von Machtdemonstration und politischem Kalkül taugt. Und Griechenlands Regierungssprecher steigt gleich drauf ein: “Auf diese Beleidigung der christlichen Welt muss es eine Antwort geben.”

Christliche Welt, na ja. In der Hagia Sophia kam es 1054 zum Schisma: Auf ihren Altar legte der Papstgesandte eine Bulle mit der Exkommunikation des Patriarchen von Konstantinopel. Knapp neun Jahrhunderte später, 1952, vertraute der Patriarch von Konstantinopel Athenagoras dem US-Botschafter in der Türkei an, er sei heilfroh, dass die Hagia Sophia ein Museum sei. Ja, nicht einmal geschenkt würde er sie als Kirche nehmen! Atatürk selbst dachte unter anderem ans Geld, als er die dringend renovierbedürftige Moschee 1934 in ein Museum umwandelte - und an die Griechen, von denen er politisch gerade etwas brauchte.

Das ist alles ziemlich profan, deswegen tut Gelassenheit jetzt gut. Die Hagia Sophia, eines der beeindruckendsten Gebäude der Menschheitsgeschichte, wird Erdogan überleben - und ihre Ära als Moschee wohl auch.

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