Basel III: Aufseher entschärfen Banken-Regulierung

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Die Finanzbranche ist erleichtert: Nach dem guten Abschneiden bei den Stresstests werden die geplanten Eigenkapitalregeln für die Banken deutlich abgemildert. An den Börsen legen Finanzaktien kräftig zu.

Wien/Basel. Im Konflikt um strengere Gesetze hat sich die Finanzlobby durchgesetzt: Der Baseler Ausschuss, in dem die wichtigsten Notenbanken und Aufsichtsbehörden weltweit vertreten sind, reagierte auf die Proteste der Kreditwirtschaft und entschärfte die geplanten Eigenkapitalvorschriften, im Fachjargon „BaselIII“ genannt. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, sprach von einem „Meilenstein“. An den Börsen legten Finanzaktien kräftig zu. In Frankfurt kletterten die Kurse von Commerzbank und Deutsche Bank um mehr als fünf Prozent.

Auch Österreichs Banken atmen auf. „Das Ganze ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Michael Ikrath, Generalsekretär des Sparkassenverbands, zur „Presse“. Denn abgeschwächt wurde ein für die heimischen Institute wichtiger Punkt. Dabei geht es um die Bewertung von Anteilen an Tochtergesellschaften. Wäre der Baseler Ausschuss stur geblieben, hätte sich hier möglicherweise zusätzlicher Kapitalbedarf von sechs bis sieben Mrd. Euro ergeben.

Vergangenen Dezember hatten die Behörden in Basel erklärt, dass künftig Beteiligungen an Tochtergesellschaften nicht mehr zur Gänze konsolidiert werden dürfen. Dies brachte die Finanzbranche weltweit in Aufruhr. In Österreich wäre die Erste Bank besonders stark betroffen gewesen. Diese ist beispielsweise an der rumänischen Großbank Banca Comerciala Romana (BCR) mit 51Prozent beteiligt, trotzdem rechnet sie deren Eigenkapital voll in die Bilanz ein.

Drei Mrd. Euro bei Erste Bank

Ähnliches passiert beim sogenannten Haftungsverbund, den die Erste Bank mit den österreichischen Sparkassen gebildet hat. Erste-Bank-Chef Andreas Treichl bezifferte zuletzt die Auswirkungen von „BaselIII“ im schlimmsten Fall mit 2,5 bis drei Milliarden Euro.

Unter Umständen wäre Treichl sogar gezwungen gewesen, den Haftungsverbund mit den Sparkassen zu überdenken. „Wir sind gerade dabei, mehr Informationen vom Baseler Ausschuss zu bekommen“, sagt Ikrath vom Sparkassenverband. „Es ist aber gut, wenn Bewegung in die Sache gekommen ist.“ Für die österreichischen Raiffeisenbanken geht es bei diesem Konflikt um zwei Mrd. Euro, bei der Bank Austria sind es 700 Mio. Euro. „Wir wären vor allen in Rumänien und Bulgarien betroffen gewesen. Denn dort sind noch andere Investoren an unseren Töchtern beteiligt“, sagte ein Bank-Austria-Sprecher.

Österreichs Bankensparten-Obmann in der Wirtschaftskammer, Herbert Pichler, warnte jedoch vor überzogenem Optimismus. Ob die jetzt vorgelegten Vorschläge tatsächlich ausreichen, „kann man erst klären, wenn ein Gesamtkonzept vorliegt“. Er forderte dazu eine Auswirkungsstudie.

Ähnlich äußerte sich Andreas Pangl, Geschäftsführer des Fachverbands der Raiffeisenbanken: „Es ist grundsätzlich gut, wenn der Baseler Ausschuss auf wichtige Bedenken eingeht.“ Doch es könne noch keine Entwarnung gegeben werden.

Mit „BaselIII“ wollen die Bankenaufseher verhindern, dass die Institute bei einer nächsten Krise wieder auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Deshalb sollen die Institute ihr Geschäft mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen. Die neuen Gesetze sollen bis Jahresende ausgearbeitet und voraussichtlich Ende 2012 umgesetzt werden. Dabei soll es aber lange Übergangsfristen geben.

Fest steht nun, dass die in den USA gebräuchliche, aber in Europa umstrittene Verschuldungsquote erst 2018 verbindlich eingeführt werden soll. Sie fällt zudem schwächer aus als erwartet. Banken dürfen künftig maximal das 33-Fache ihres Kernkapitals als Kredit ausgeben. Analysten waren vom 25-Fachen ausgegangen.

Deutschland legt sich quer

Die deutschen Institute sind mit dem jetzigen Kompromiss dennoch unzufrieden. „Wir haben noch Bedenken“, sagte eine Sprecherin der Bundesbank. Die Deutschen fordern als einziges Land im Baseler Ausschuss, dass auch die Besonderheiten ihres Finanzsystems berücksichtigt werden. Sie befürchten, dass Teile der Eigenmittel von Sparkassen und Genossenschaftsbanken künftig nicht mehr als Kernkapital anerkannt werden. Österreich ist im Baseler Gremium nicht vertreten. Dennoch laufen auch hier Banken- und Wirtschaftsvertreter seit Wochen gegen „BaselIII“ Sturm. Laut einer IHS-Studie könnten die Institute wegen der neuen Vorschriften ihr Kreditvolumen um bis zu 20Prozent zurückfahren.

AUF EINEN BLICK

Mit den neuen Vorschriften wollen die im Baseler Ausschuss vertretenen Notenbanken und Finanzaufseher verhindern, dass die Banken bei der nächsten Krise wieder auf staatliche Hilfen zurückgreifen. Doch die Finanzbranche läuft dagegen Sturm.

In der Nacht auf Dienstag wurde vom Baseler Ausschuss ein Kompromiss präsentiert. Demnach dürfen die Banken auch künftig Anteile an Tochtergesellschaften vollständig konsolidieren. Die deutsche Finanzwirtschaft fordert aber weitere Ausnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2010)

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