Tschechien

Letzter Chef der tschechoslowakischen KP vor der Wende 1989 gestorben

APA/AFP/MICHAL CIZEK
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Miloš Jakeš war für zwei Jahre der praktisch mächtigste Mann der ČSSR, bevor er in der „samtenen Revolution" 1989 abtreten musste. Seither lebte er zurückgezogen als Pensionist und blieb überzeugter Sozialist der alten Schule. Nun ist er 97-jährig in Prag verstorben.

Und wieder ist eine Figur aus der Ära des Kommunismus und des Kalten Krieges Geschichte: Der letzte Chef der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei vor der Wende 1989, Miloš Jakeš, ist, wie in der Nacht auf Mittwoch bekannt wurde, vor wenigen Tagen in Prag gestorben - Berichten zufolge am 10. Juli. Er war 97 Jahre alt. Laut dem tschechischen TV-Sender "CNN Prima News" wurde sein Leichnam am Dienstag in Prag eingeäschert und bestattet.

Seine Amtszeit als KP-Chef des Gesamtstaates ČSSR, die erst 1987 begonnen gehabt hatte, fiel in die Endphase des Ostblocks und endete jäh angesichts der „samtenen Revolution" im November/Dezember 1989, als das KP-Regime stürzte. Am 24. November 1989 trat er als KPČ-Chef zurück, Anfang Dezember wurde er aus der Partei ausgeschlossen, die sich umbenannte und zu reformieren versuchte.

Jakeš wurde 1922 in dem Weiler České Chalupy (Böhmischhäuser) nahe Budweis in Südböhmen geboren. Er stammte aus einer ärmlichen Familie, die von Handwerk und Kleinlandwirtschaft lebte.

Karte vom Geburtsort:

Ende der 1930er-Jahre machte er beim Schuherzeuger „Bata" in der mährischen Stadt Zlín eine Lehre zum Monteur. Bata, von den Kommunisten 1945 verstaatlicht, existiert nach einer wechselvollen Geschichte übrigens noch heute, wobei sich der Hauptsitz des international tätigen Großunternehmens seit langem in Lausanne (Schweiz) befindet, der Konzern aber in Luxemburg registriert ist.

Aufstieg im Jugendverband

Jakeš indes arbeitete als Monteur und studierte während des Weltkriegs  Elektrotechnik, den Abschluss darin machte er 1944. Bei Kriegsende im Mai 1945 trat er in die tschechoslowakische KP ein und war vor allem in der Jugendpolitik tätig, wobei es praktisch um Rekrutierung neuer junger Parteigenossen und Indoktrination ging. Er stieg in der Karriereleiter des Jugendverbandes der KP auf, wurde 1950 dessen Chef.

1955 bis 1958 studierte er an der kommunistischen Parteihochschule in Moskau und errang dadurch Kompetenzen für höhere politische und verwaltungstechnische Posten. Danach übte er diverse Funktionen im Mittelbau der Partei und im Staatsapparat aus.

Auf Seite der Hardliner

Während des „Prager Frühlings" 1968 war Jakeš auf der Seite der konservativen, moskautreuen Fraktion der KPČ, und befürwortete die Invasion von Warschauer-Pakt-Truppen im August diesen Jahres, womit der Versuch einer Liberalisierung der KP-Herrschaft gescheitert war.

CIA/Gemeinfrei

1977 zog er ins Zentralkomitee der KP ein, 1981 in dessen Präsidium. Zum Chef der Partei wurde Jakeš im Dezember 1987, nachdem der bisherige Staatspräsident und KP-Chef Gustáv Husák infolge parteiinterner Ränke und Säuberungen zum Rücktritt gedrängt worden war. Husák (1913 - 1991, ein Slowake) blieb Präsident, doch als Parteichef hatte Jakeš die wahre Macht.

Der von Sowjet-Staats-und Parteichef Michail Gobatschow einige Jahre zuvor losgetretenen Politik der Öffnung und den dadurch entfesselten Kräften, die sich vielerorts im Ostblock gegen die Partei und den Staat richteten und mehr Demokratie und Marktwirtschaft forderten, fiel Ende 1989 letztlich auch die kommunistische Herrschaft in der Tschechoslowakei zum Opfer. Diese hatte in den 1980ern sogar einen noch rigideren Kurs eingeschlagen, um sich an der Macht zu halten.

Rückzug als Pensionist, weiter überzeugter Kommunist

Nach seinem Rücktritt Ende November 1989 zog sich Jakeš als Pensionist weitgehend ins Privatleben zurück. Er trat wiederholt bei Veranstaltungen der Kommunistischen Nachfolgeparteien KSČS und KSČM auf, schrieb seine Memoiren über die zweijährige Zeit als KP-Chef, geriet aber rasch in Vergessenheit. Erst im Vorjahr sagte er zu Journalisten, dass er die Ereignisse von 1989 weiterhin als „konterrevolutionären Putsch zur Zerstörung des Sozialismus" werte.

Am 31. Dezember 1992 wurde die ČSSR friedlich aufgelöst, daraus entstanden die Tschechische- und die Slowakische Republik.

In den 1990ern leitete die tschechische Justiz ein Verfahren gegen Jakeš ein, es ging um möglicherweise strafrechtlich relevante Aktivitäten während der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, was in den Vorwurf des Landesverrats mündete. 2002 gab es einen Freispruch, weil sich kein Verstoß gegen das einstige Recht der ČSSR nachweisen ließ.

Che/CC BY-SA 2.5

Jakeš' Frau Květena Jakešová, die er 1943 geheiratet hatte, starb 2013. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor.

Die tschechoslowakischen Kommunisten gerieten nach dem Umsturz 1989 in eine schwere Krise, dazu kam ihre Aufspaltung auf die Nachfolgestaaten Tschechien und Slowakei. Nach dem Abgang von Jakeš waren noch Karel Urbánek und Ladislav Adamec bis 1990 jeweils für kurze Zeit Chefs der „klassischen" KP, bevor diese sich spaltete.

In der Slowakei grundeln die Kommunisten seither in der Bedeutungslosigkeit: Bei der Wahl 2016 erzielten sie nur 0,62 Prozent der Stimmen; überhaupt waren sie nur von 2002 bis 2006 im Parlament.

Kommunisten als Unterstützer einer Rechtsregierung

Die Tschechischen Kommunisten (genauer: die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens, Komunistická strana Čech a Moravy, KSČM) blieben hingegen seit 1990 eine relevante Kraft und waren stets im Prager Parlament vertreten. Bei der Wahl 2017 kamen sie auf rund 7,8 Prozent, was allerdings etwa einer Halbierung ihrer vorherigen Stärke gleichkam. Seit 2018 unterstützen die Kommunisten im Abgeordnetenhaus die Minderheitsregierung des mitte-rechts-populistischen Regierungschefs Andrej Babiš.

(Reuters/wg)

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