Streit um Steuern

EU-Kommission verliert gegen Apple

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FILES-IRELAND-EU-TAXATION-APPLEAPA/AFP/PAUL FAITH
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Das Gericht der EU kippt die Rekord-Steuernachzahlung von 14,3 Milliarden Euro, zu der die Brüsseler Behörde den US-Konzern vor vier Jahren verdonnert hatte.

Luxemburg/Brüssel. Im Match Apple gegen EU-Kommission steht es seit dem gestrigen Mittwoch 1:0 für den Konzern aus dem kalifornischen Cupertino. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) kippte die Rekord-Steuernachzahlung von insgesamt 14,3 Mrd. Euro (inklusive 1,2 Mrd. Euro Zinsen), zu der die Brüsseler Behörde den US-Konzern vor vier Jahren verdonnert hatte. Für Apple ist die Causa noch nicht ausgestanden, denn das EuG ist nicht die letzte Instanz – am Schluss des juristischen Amtswegs befindet sich der Europäische Gerichtshof (EuGH), das Höchstgericht der EU. Ob die Kommission nun den EuGH anrufen wird, war gestern noch nicht klar. Für eine Entscheidung hat Brüssel zwei Monate Zeit. Man werde das Urteil gründlich studieren und über weitere Schritte nachdenken, ließ die für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissarin, Margrethe Vestager, wissen.

In den zwei zusammenhängenden Rechtssachen (T-778/16 und T-892/16) ging es um Steuervereinbarungen von Apple in Irland aus den 1990er- und Nullerjahren. Nach Ansicht der Luxemburger EU-Richter habe die Brüsseler Behörde bei der Verhängung der Rückzahlung nicht ausreichend nachweisen können, dass die Arrangements eine ungerechtfertigte staatliche Beihilfe gewesen seien. 2016 hatte Vestager Apple zur Rückzahlung der angeblich illegalen Ermäßigungen verpflichtet – es war das höchste je verhängte Pönale in der EU-Geschichte.

Apple deponierte den Betrag auf einem Treuhandkonto und klagte – ebenso wie Irland – gegen die Kommission. Der US-Konzern vertrat dabei den Standpunkt, dass die bei seinen irischen Töchtern verbuchten Erträge vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien. Das EuG teilte diese Meinung – und folgte nicht der Argumentationslinie Brüssels, wonach das Steuerregime eine Beihilfe war, die nur Apple in Irland zur Verfügung stand und von der andere in dem Land ansässige Unternehmen nicht profitieren konnten. In einer ersten Stellungnahme begrüßte Apple das EuG-Urteil: Als „weltweit größter Steuerzahler“ habe man EU-weit zur Schaffung von 1,8 Millionen Arbeitsplätzen beigetragen.

Dass die Angelegenheit politische Folgen haben wird, ist so sicher wie das Amen im Gebet: Die Coronakrise reißt tiefe Löcher in die Budgets der EU-Mitglieder – und durch das Verschieben von Konzernerlösen innerhalb des Binnenmarkts entstehen den Unionsmitgliedern Schäden in Milliardenhöhe. Nach Kalkulationen der NGO Tax Justice Network hat allein die konzernfreundliche Steuerpolitik der Niederlande im Vorjahr im Rest der EU Steuerausfälle in der Höhe von neun Mrd. Euro verursacht. Neben den Niederlanden zählen Luxemburg und Irland zu den innereuropäischen Steueroasen.

Artikel 116 kommt im Herbst

Somit ist zu erwarten, dass die Kommission ihren Fokus von der Wettbewerbspolitik verlagern wird – hin zu direkten Maßnahmen gegen unlauteren Steuerwettbewerb. Die Brüsseler Behörde kündigte am Mittwoch einen Aktionsplan für Unternehmensbesteuerung für den Herbst an. Dabei sollen „alle existierenden Hebel“ bewegt werden – auch der bis dato niemals verwendete Artikel 116 des EU-Vertrags, der den Eingriff in nationale Steuersysteme gegen den Widerstand der Betroffenen möglich macht.(la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2020)

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