Kolumne zum Tag

Nimm den Haring und den Spaten und bohr ein Loch

Symbolbild.
Symbolbild.(c) imago images/YAY Images
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Die Wiederbelebung einer uralten Tradition erfreut all jene, die wirklich entschleunigen wollen: Erdlochgrillen.

Wer Grillen noch erlebte, bevor riesige, chromglänzende Schlachtschiffe Terrassen und Gärten eroberten, teilt diese Erinnerungen: Dichte Rauchschwaden prägten den vertrauten Geruch des Sommers, knapp gefolgt von Chlor, Kokosöl und Diesel.

Heute wird auf höchstem Niveau gegrillt, die Rezepte sind raffiniert, die Beilagen kleine Kunstwerke. An den Ureigenheiten der Veranstaltung hat sich dennoch nicht viel geändert: Der Grillmeister will keine Tipps von anderen Meistern, er macht Hochleistungssport und schwitzt, die Gäste sind entspannt, aber hungrig (das Mittagessen ausgelassen, Intervallfasten), stürzen sich auf Salate und Brot und essen alles, was der Reihe nach vom Rost geliefert wird. Zuerst kommen die Würstel und danach erst Steaks, aber wer weiß, ob es für alle reicht, also greift man lieber gleich zu. Am Ende ist der Grillmeister betrunken und isst die kalten Steaks auf.

Da das Schöne aber die Zeit ist, die man miteinander ununterbrochen essend verbringt, erfreut die Wiederbelebung einer uralten Tradition all jene, die wirklich entschleunigen wollen: Erdlochgrillen. Nehmen Sie sich einen Tag Zeit, rät das Rezept. Sie brauchen einen guten Spaten und gute Nerven. So ein Loch auszuheben sieht nur in Gruselfilmen einfach aus.

Das macht sich auch beim zweiten großen Sommertrend, dem Zelteln, bemerkbar. Wo auch immer man einen Hering, der in vertrauteren Teilen des Landes Haring heißt, in den Boden rammen will – das Teil verbiegt sich, so steinhart ist der Untergrund.

Für die Campingausrüstung hat man dann so viel Geld ausgegeben, wie der abgesagte Urlaub gekostet hätte, aber dafür ist es ein Sommer wie damals, nur mit weicheren Matten und schickeren Utensilien. Auch das Wetter ist so wie im Sommer von damals. Die Regenschauer und die Gänsehaut im Freibad hatte man ganz vergessen. Bei all der Nostalgie kann man sich darüber hinweg schummeln, dass gerade gar nichts mehr ist wie noch vor einem halben Jahr.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2020)

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